Silberband 081 - Aphilie
die Ärzte behaupten, sie hätten noch nie eine solche Pferdenatur zu Gesicht bekommen. Sie haben gebrochene Rippen und Quetschungen oder Prellungen. Heute Abend, nehme ich an, wird man Sie hier entlassen. In Ihre Wohnung dürfen Sie allerdings nicht zurückkehren.«
»Was ist aus Serafino geworden? Hat er …«
»Er kam mit dem Schrecken davon. Er wartet übrigens draußen und möchte Sie unbedingt sehen.« Danton lachte hell. »Wahrscheinlich traut er meinen Auskünften nicht.«
»Oh, bitte … schicken Sie ihn herein«, bat Ironside.
»Wie? Über den Vorgang des Attentats wollen Sie gar nichts wissen?«, fragte Danton erstaunt.
»Nicht jetzt, mein guter Freund«, lächelte Ironside. »Es gibt wichtigere Dinge. Im Übrigen: Sind Ihre Ermittlungen denn schon abgeschlossen?«
»In Kürze«, bekannte Danton. »Aber wie Sie wollen. Ich rufe Bruder Serafino herein. Wir beide können uns später noch unterhalten.«
Er ging hinaus. Vater Ironside stemmte sich erwartungsvoll auf den Unterarmen in die Höhe. Nach wenigen Minuten kehrte Roi Danton zurück. »Ich kann Bruder Serafino nirgendwo finden«, sagte er. »Jemand hat behauptet, er sei dringend abberufen worden. Das ist alles.«
Ironside sank in die Polster zurück. »Er ist unverwüstlich und wird schon wiederkommen«, meinte er hoffnungsvoll.
Den Roboter hatte die Explosion in Fetzen gerissen. Aber die Experten des Amtes für innere Sicherheit schafften es trotzdem sehr schnell, seine Struktur zu rekonstruieren. Es gab eine böse Überraschung. Der Roboter war ein Exemplar einer bis vor wenigen Wochen geheim gehaltenen Neuentwicklung, eine im höchsten Grad menschenähnliche Maschine. Galbraith Deighton hatte geplant, diesen Typ in Massen einzusetzen und durch sein Wohlverhalten den verwirrten Mitmenschen sozusagen ein Beispiel zu geben. Die Produktion war auf eine halbe Milliarde Roboter kalkuliert worden. Geschickt eingesetzt, würden sie womöglich auf ihre ›Mitmenschen‹ einen solchen Einfluss gewinnen, dass der erschreckende Anstieg der Trivialkriminalität gebremst werden konnte.
Offensichtlich war einer dieser Roboter von den Söhnen der reinen Vernunft entwendet worden. Sie hatten seine Grundprogrammierung so verändert, dass er den Robotergesetzen zum Trotz Menschen in Gefahr bringen und sogar töten konnte. Und sie hatten in seinem Leib die Bombe installiert. Der Roboter war vom Produktionsprozess her mit einem schwachen Schirmfeld versehen, das verhinderte, dass seine positronische Streustrahlung angemessen werden konnte. Gerade diese Streustrahlung aber war es, anhand deren man – mit den geeigneten Spürgeräten – bisher verkappte Roboter von echten Menschen hatte unterscheiden können. Das Gebäude mit Vater Ironsides Wohnung war von Deightons Spezialisten rund um die Uhr überwacht worden. Aber den jungen Mann hatte man anstandslos passieren lassen.
Gegen achtzehn Uhr erschien Bruder Serafino, um endlich seinen Krankenbesuch abzustatten – zu einer Zeit also, da Vater Ironside längst ungeduldig darauf wartete, dass die Ärzte ihm erlaubten, das Hospital zu verlassen. Gesenkten Blicks betrat Serafino das Krankenzimmer, und sein Gruß klang bedrückt.
»Du hast Sorgen, Bruder, nicht wahr?«, erkundigte sich Ironside.
»Sorgen nicht, nur Kummer«, antwortete der Weißhaarige. »Ich wollte dich schon vor Stunden besuchen, aber …«
»Was gab es?«
In Serafinos Augen trat ein Schimmer der Trauer. »Sie haben Silas Pranther gefunden«, sagte er.
»Silas Pranther?«, ereiferte sich Vater Ironside. »Wie geht es ihm? Und überhaupt, was hast du damit zu tun?«
»Ach, das ist eine traurige Geschichte«, jammerte Serafino. »Ich muss dir leider berichten, dass deine Aussprache mit Pranther erfolglos war. Er ist in der Sünde gestorben.«
»Er ist tot? In der Sünde? Bruder, spann mich nicht auf die Folter, ich bitte dich!«
»Er beging Selbstmord«, flüsterte Serafino. »Als er sich von dir verabschiedete, ging er nur bis zur nächsten Biegung des Korridors. Dort öffnete er die Klappe des Müllschachts und stürzte sich hinein. Er landete auf der Müllhalde tief unter dem Gebäude. Der Sturz wäre an sich nicht tödlich gewesen, denn die Müllhalde ist weich und nachgiebig. Aber erstens geriet er mit dem Schädel tief in den Abfall, und zweitens ist der Haldenraum mit giftigen Gasen gefüllt, die sich aus dem Müll entwickeln. Kurzum: Silas Pranther ist erstickt.«
Vater Ironside saß auf seinem Lager. Noch nie zuvor hatte
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