Silberband 084 - Eine Galaxis stirbt
abschnitt.
Judith war nicht allein. Obwohl die Holos nichts davon erkennen ließen, zeigten andere Geräte, dass sich neben dem Roboter drei echte Marschiere-Viels aufhielten – ebenfalls zur Reglosigkeit erstarrt.
»Können Sie die Tiere erkennen, Hortox?«, fragte Atlan.
»Keine Spur«, gab der Oxtorner zurück. »Ich sehe nur felsige Einöde, die von kleineren Sandflächen durchsetzt ist. Wenn es hier Marschiere-Viels gibt, ist ihr Aussehen tatsächlich perfekt dem Aussehen der Planetenoberfläche angepasst.«
»Das ist es in der Tat«, bestätigte der Arkonide. »Als ich zum ersten Mal ein Marschiere-Viel sah, hatte ich den Eindruck eines herausgebrochenen Stücks Planetenkruste. Dennoch sind sie eigenständige Lebewesen.«
Er schaltete das positronische Logbuch ein. Lediglich ein schwaches Summen und Knistern erklang. Jemand – wahrscheinlich das letzte lebende Besatzungsmitglied – hatte das Logbuch nach der letzten Eintragung nicht desaktiviert. Deshalb waren für einige Zeit nur das schwache Geräusch der Klimaanlage und das Knistern statischer Energie aufgenommen worden, bevor die Sperrautomatik das Logbuch ausgeschaltet hatte.
Beide Männer zögerten, die Zeitschaltung der Speicherkristalle zurücklaufen zu lassen. Sie ahnten instinktiv, dass sie nichts Erfreuliches hören würden. Endlich holte Atlan tief Luft und aktivierte den Rücklauf.
Sekunden später ertönte die Stimme eines Mannes …
7.
»… Oberst Jarav Krengkow, Leiter der Kommandogruppe Judith. An Bord ist alles in Ordnung, die Systeme arbeiten einwandfrei. Nur die Besatzung leidet unter der Isolation. Als die Invasoren landeten und das Forschungs- und Produktionszentrum besetzten, hofften wir alle, dass dieser Zustand vorübergehend sein und die Solare Flotte den Gegner bald vertreiben würde. Unsere Hoffnungen erfüllten sich nicht. Aus Tagen wurden Wochen, aus Wochen Monate und aus Monaten Jahre. Die Abhörstation fing hin und wieder verstümmelte Hyperfunksprüche aus der näheren Umgebung auf. Meist handelte es sich um Raumschiffe Überschwerer auf Patrouillenflügen. Nur einmal hörten wir den Notruf eines Schnellen Kreuzers der Solaren Flotte, der HADRIPUR. Sie war von zwei Kampfraumschiffen der Überschweren beschlossen und schwer beschädigt worden.
Andererseits konnten wir die internen Gespräche des Forschungszentrums abhören. Wir erfuhren, dass die Laren den größten Teil der terranischen Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker gezwungen hatten, auf Last Hope zu bleiben und für das Konzil zu arbeiten. Anscheinend haben sich unsere Leute den Befehlen unterstellt, denn es gab keine Anzeichen einer Revolte.
Dennoch waren wir noch nach Jahren sicher, dass man uns nicht vergessen würde. Einmal musste ein Raumschiff der Solaren Flotte erscheinen und unseren Transmitter einpeilen.
Dann brach die erste Krise über uns herein. Leutnant Vilur Santanos verließ Judith während einer Ruheperiode. Als wir sein Fehlen bemerkten, schickte ich die Captains Tutama und Rurin mit einem Geländefahrzeug hinterher. Sie kehrten nach achtundvierzig Stunden zurück, ohne eine Spur von Leutnant Santanos gefunden zu haben. Er muss in dem unwegsamen Gelände umgekommen sein. Vielleicht hat er seinen Schutzanzug freiwillig geöffnet.
Daraufhin ließ ich alle Schleusen mit Kodeschlössern versehen, die sich nur von mindestens zwei Personen öffnen ließen. Außerdem organisierten wir ein umfassendes Weiterbildungsprogramm. Jeder arbeitete Lehrgänge über sein Fachgebiet aus und hielt Vorträge, so dass jedes Mitglied der Besatzung innerhalb absehbarer Zeit alle hier vertretenen Fachgebiete recht gut beherrschte. Doch auch dieses Programm half nur befristet. Wir mussten es nach sieben Jahren abbrechen, weil die Teilnehmer sich klar darüber wurden, dass das Wissen, das sie sich gegenseitig vermittelten, in der Außenwelt durch die stetig weiterlaufende Forschung längst überholt worden war.
Glücklicherweise hat der Konstrukteur des MV-Roboters einen geschlossenen Lebenskreislauf eingeplant – oder soll ich sagen, unglücklicherweise? Das Leben hier erscheint uns immer sinnloser. Wir können nichts tun, was der Menschheit nützen würde. Wir können nicht einmal etwas tun, was uns selbst nützt.
Die zweite Krise überraschte uns genauso wie die erste, denn sie wurde von Professor Jerence Mungk ausgelöst, von dem wir es am wenigsten erwartet hätten. Mungk nahm heimlich eine Modifizierung im Feststoffregenerierungssystem vor.
Weitere Kostenlose Bücher