Silberband 086 - Inferno der Dimensionen
überlegte. Die Positronik war für jedermann tabu, die Wartungsroboter ausgenommen. Mitsamt ihrem Roboterteam war die Maschine autark. Sie bedurfte keiner menschlichen Unterstützung, um ihre Arbeit zu verrichten.
»Nehmen Sie den zweiten Stollen!«, forderte Bull Ironside auf. »Postieren Sie sich einfach in die Nähe des Ausgangs, damit der Kerl uns nicht durch die Lappen geht.«
Es gab zwei Zugänge, Stollen, die jeweils am Rand des Werftareals begannen und schräg hinunter zu dem etwa vierzig Meter tief gelegenen Rundraum führten. Ein Stolleneingang lag im Osten, der andere im Westen des Geländes.
Reginald Bull und Sylvia drangen durch den östlichen Eingang vor, den auch Raphael benützt hatte. Unterwegs ließ Bully sich informieren, dass Raphael sich dem Stollen mit mäßig raschem Schritt und scheinbar völlig unbefangen genähert hatte.
»Er sah sich nicht um, kein einziges Mal«, beschrieb Sylvia. »Er ging einfach hinein, als wäre es die allernormalste Sache überhaupt.«
Der Stollen war mit einer einfachen Tür verschlossen. Die Beleuchtung bestand aus schwachen, in weiten Abständen angebrachten Lampen. Reginald Bull fand es schwierig, sich in diesem Schummerlicht zu orientieren.
Er lauschte angestrengt, nahm jedoch kein Geräusch wahr außer dem leisen Summen der Klimaanlage. Sylvia folgte ihm dichtauf. Sie legten etwa sechshundert Meter zurück und näherten sich der Einmündung des Stollens in den Rechnerraum, aber noch immer hatten sie kein Anzeichen für Raphaels Anwesenheit gefunden. Es war unwahrscheinlich, überlegte Bull, dass Raphael den Stollen schon wieder hatte verlassen können. Er musste sich also noch irgendwo hier befinden. Voraus aber gab es nur den Rundraum der Positronik und auf der anderen Seite den nach Westen führenden Stollen, in dem Vater Ironside auf der Lauer lag.
Im Rechnerraum selbst herrschte dieselbe unheimliche Düsternis wie draußen im Gang. Die verschiedenen Aggregate nahmen annähernd drei Viertel der Rundwand ein. In der Raummitte warteten etliche Wartungsroboter reglos darauf, dass ihre Dienste benötigt wurden.
Von Raphael war keine Spur. Hatte er Bull und Sylvia kommen hören und war durch den gegenüberliegenden Stollen verschwunden? Bully hatte den Gedanken kaum zu Ende gebracht, da erklangen von der anderen Seite des Raumes Schritte. Unwillkürlich griff er zur Waffe. Aber aus dem Halbdunkel erklang eine tiefe, ruhige Stimme: »Nur keine falsche Hast. Ich bin's.«
»Ironside!«
»Haben Sie den Mann?«
»Nein.«
»Mir ist er auch nicht begegnet. Sind Sie sicher, dass es hier keine weiteren Schlupflöcher gibt?«
»Ganz sicher«, antwortete Bull. Aber dann fügte er hinzu: »Das heißt … ich war auch sicher, dass es hier keine Sajjid-Konverter geben würde.«
»Genau. Sollen wir suchen?«
Bevor Reginald Bull antworten konnte, stieß Sylvia einen entsetzten Schrei aus.
Seitwärts, vor den Aggregaten, stand Raphael, eine gespenstische, hagere Gestalt in dem unwirklich roten Halbdunkel. »Suchen Sie mich …?«, fragte er ruhig.
»Wo kommen Sie her?«, fuhr Reginald Bull ihn an.
»Ich war die ganze Zeit über hier«, behauptete Raphael. »Wahrscheinlich hätten Sie mich gesehen, wenn die Beleuchtung nicht so erbärmlich wäre.«
»Was suchen Sie hier?«
»Ich interessiere mich für Positroniken. Man bekommt heute nur noch selten Maschinen zu sehen, die über tausend Jahre alt sind.«
»Sie haben hier nichts verloren, das wissen Sie.«
»Sie auch nicht«, hielt Raphael Bull entgegen. »Der Zugang ist für jedermann gesperrt.«
Wenn Reginald Bull herausgefordert wurde, überkam ihn eine eiskalte Ruhe, die ihn gefährlich machte. »Sie haben das Spiel weit genug getrieben«, sagte er. »Das Kommando über diese Werft liegt bei mir. Das Betreten dieses Raumes ist verboten. Sie haben sich vor mir zu verantworten – und wenn wir schon dabei sind, verlange ich, dass Sie mir noch einiges sonst darlegen. Zum Beispiel, wer Sie sind, woher Sie kommen und so weiter.«
In Raphaels Miene zuckte kein Muskel. »Erheben Sie einen Vorwurf gegen mich, dann verantworte ich mich. Das Zutrittsverbot dient doch in erster Linie dazu, den Rechner vor den Manipulationen Unsachverständiger zu schützen. Ich bin weder unsachverständig, noch habe ich die Maschine manipuliert. Wenn Sie mir also etwas vorzuwerfen haben, lassen Sie es mich wissen. Ich halte mich zu Ihrer Verfügung.« Damit wandte er sich ab und schritt in den Stollen hinaus, durch den er
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