Silberband 088 - Der Zeitlose
wusste man auf jeden Fall: Kelko Golvin hatte sich grundsätzlich nur mit Fahrzeugen der Vergangenheit beschäftigt, also musste es sich auch bei dieser Maschine um ein Fahrzeug handeln. Der Rest der Kabine enthielt eine Reihe von Sitzbänken.
An der Hallenwand entlang zogen sich schrankähnliche Möbel. Ein paar davon enthielten Werkstoffe und Ersatzteile, die Letzteren zum Teil grotesk altmodisch. Auch Werkzeuge waren hier zu finden, wobei auffiel, dass Kelko Golvin bei aller Vorliebe zur Technik des Altertums mit allermodernstem Gerät gearbeitet hatte.
Ein Schrank war zweckentfremdet worden. Als Walik Kauk ihn öffnete, entdeckte er ein Mikrofilm-Lesegerät. Er hielt es zunächst für eines von Golvins Modellen, denn es wirkte unerhört altmodisch. Schließlich fand er jedoch einen Batteriekasten, der eine moderne, langlebige Kernzerfallsbatterie enthielt. Walik betätigte den Hauptschalter. Im Innern des Geräts flammte ein Licht auf, und der Monitor wurde hell. Auf der Bildfläche erschien eine antik anmutende Zeichnung, die die Maschine in der Halle darstellte. Darunter standen Worte in archaischer Schrift. Kauk entzifferte mit Mühe:
Hovercraft, Modell Whatley & Davies, 1958
»He!«, stellte Bluff Pollard überrascht fest. »Wir wissen zwar noch nicht, was es tut, aber seinen Namen kennen wir!«
Die alte Schrift und die floskelreiche Sprache eines längst vergangenen Jahrhunderts waren schwer zu entziffern. Aber sie kämpften sich Seite um Seite durch die Mikrofilmkopie der über tausendsechshundert Jahre alten Beschreibung hindurch, lasen Dinge über Wellen, Doppelsternmotoren, Oktanwerte, Kühlrippen, Gebläse, Turbinen und Strömungsvektoren, die ihnen wenig oder nichts sagten. Erst am Ende der Abhandlung kam die Bedienungsanleitung. Danach folgten noch ein paar Seiten in moderner Sprache, offenbar von Kelko Golvin selbst verfasst, die Änderungen beschrieben, die Golvin am ursprünglichen Modell vorgenommen hatte, um die Maschine auch mit den heute erhältlichen Treibstoffen betreiben zu können.
»Sechzig Knoten«, las Bluff. »Was ist ein Knoten?«
»Das weiß ich!«, rief Walik Kauk voller Erregung. »Ein Knoten ist dasselbe wie eine Seemeile pro Stunde.«
»Und was ist eine Seemeile?«
»Achtzehnhundertundeinpaar Meter …«
»Das schnellste Schiff aller Zeiten«, spottete Bluff.
»Hast du's etwa eilig, Junge?« Walik lachte. Er las die entscheidenden Abschnitte der Beschreibung ein zweites Mal. Das alte Fahrzeug bewegte sich auf einem Luftkissen, das von verschiedenen Gebläsen erzeugt wurde. Es war für die Fahrt über Land ebenso geeignet wie über Wasser. Wellen bis zu einer Höhe von 1,30 Metern bildeten kein Hindernis.
Als Treibstoff diente Benzin. Walik Kauk hatte von Benzin gehört. Es wurde zu Reinigungszwecken und zum Abbrennen von Unkraut verwendet. Von Kelko Golvin hatte er zudem erfahren, dass es in früherer Zeit als Energiequelle für Verbrennungsmotoren benutzt worden war. Mit besonderer Sorgfalt las er den Abschnitt, in dem davon die Rede war, wie der Inhalt des Treibstofftanks gemessen und abgelesen wurde.
Anschließend kletterte er auf das Fahrzeug hinauf und öffnete das Luk zur Pilotenkabine. Er fand das Armaturenbrett der Beschreibung entsprechend. Der Hauptschalter war keine Sensorfläche, sondern ein altmodischer Schlüssel, der in einer merkwürdig gezackten Öffnung steckte und gedreht werden musste.
Walik drehte ihn bis zum Anschlag und verfolgte, wie ein gutes Dutzend kleiner Kontrolllichter zum Leben erwachte. Über weiße Skalen mit einer Gradeinteilung pendelten mechanische Zeiger. Walik suchte das Instrument, das die Füllung des Tanks anzeigte.
Erleichtert atmete er auf: Der Tank war mehr als halb voll.
»Du kannst das Tor öffnen!«, rief er durch das offene Luk zu Bluff hinab.
»Wozu? Du willst doch nicht etwa mit dem Ding fliegen?«
»Genau das habe ich vor!«
Bluff wuchtete das schwere Hallentor in die Höhe. Einstmals hatte es einen Antrieb gehabt. Aber Kelko Golvin war ein Mann gewesen, der mit der Vergangenheit lebte. Wie die Menschen der Frühzeit hatte er sich niemals ganz darauf verlassen, dass eine moderne Energiequelle fehlerfrei und ohne Ausfall funktionierte. Also hatte er sich eine technische Hintertür offen gehalten. So verfügte das Hallentor über einen manuellen Öffnungsmechanismus, der mit Zahnrädern und Seilzügen arbeitete. Ein einzelner Mann konnte das Tor bewegen, ohne sich dabei überanzustrengen.
Durch das Glassitdach
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