Silberband 088 - Der Zeitlose
und das war das Letzte, was Walik Kauk hörte, denn ihm schwand das Bewusstsein.
In früheren Zeiten hatte der Alkohol seine Herrschaft über Baldwin Tingmer stets in dem Augenblick verloren, in dem Baldwin in eine Lage geriet, die ihn ernsthaft forderte. Diesmal war es anders. Er betrachtete das dröhnende Ding, das den Schnee aufwirbelte, als gefährlichen Gegner, aber dennoch fiel es ihm schwer, das Gleichgewicht zu wahren, während er nach einer Deckung suchte, von der aus er den Feind unter Beschuss nehmen konnte.
Es musste damit zu tun haben, dass er schon seit Tagen einen fürchterlichen Brummschädel hatte. Körper und Bewusstsein verarbeiteten den Alkohol nicht mehr.
Das niedrige Gebäude des lokalen Verbrauchermarkts als Versteck zu benützen wäre Baldwin in nüchternem Zustand nicht im Traum eingefallen. Aber ihm blieb schließlich nichts anderes mehr übrig. Das tosende Ungetüm war ihm dicht auf den Fersen, und das Marktgebäude war das einzige in der Nähe, von dem er sicher wusste, dass er mühelos eindringen konnte.
Er fand im ungewissen Halbdunkel die stillgelegte Gleittreppe zum Dach hinauf. Mehr stolpernd als gehend, fand er sich auch auf dem Dachboden zurecht und gelangte zu der Luke, die er mit einiger Mühe aufstemmte.
Gerade in diesem Augenblick erreichte die aufgewirbelte Schneewolke das Straßenstück vor dem Gebäude des Verbrauchermarkts. Durch den wehenden Schnee erkannte Baldwin Tingmer mit dumpfem Erstaunen ein Fahrzeug, das er nie zuvor gesehen hatte. Auf einer ovalen Basis erhob sich eine in der Hauptsache aus durchsichtigem Material bestehende Kuppel, in der er undeutlich drei Gestalten erkannte: einen kleinen, stämmig gebauten Mann, einen Jungen, hoch aufgeschossen und hager, mit brandrotem Haar – und ein Geschöpf von durchschnittlicher Statur, in eine gelbbraune Uniform gekleidet.
Der Anblick dieser Uniform gab den Ausschlag. Baldwin betätigte die Waffe – mit all der Zielsicherheit, die übermäßiger Alkoholgenuss verleiht. Er sah das merkwürdige Fahrzeug zur Seite ausscheren und zwischen zwei Gebäuden auf der gegenüberliegenden Straßenseite verschwinden.
Er wartete. Nach geraumer Zeit tauchte auf der Seite eines der Häuser ein schwarzbehaarter Kopf auf. Baldwin schoss, und der Kopf verschwand. Wenig später leuchtete das Frontfenster des Hauses auf. Baldwin schoss von neuem.
Dann wurde er selbst unter Feuer genommen. Die Dachluke schmolz dahin, das Dach selbst bekam ein Loch, das unheimlich schnell größer wurde. Außerdem wurde es unerträglich heiß. Baldwin hastete die Treppe hinunter zum Ausgang und sah gerade noch den kleinen, breitschultrigen Mann über die Straße hasten. Baldwin nahm ihn unter Feuer, aber er war nicht sicher, ob er wirklich getroffen hatte.
Das Feuer von der gegenüberliegenden Straßenseite hatte aufgehört. Baldwin Tingmer schickte sich an, nach dem Breitschultrigen zu sehen, von dem er nicht wusste, ob er ihm noch gefährlich werden konnte. Da erschreckte ihn ein eigenartiges Geräusch.
Es hörte sich an, als würde ein Stück Stoff in der Mitte auseinander gerissen. Baldwin wandte sich hastig um und kam ins Taumeln. Er versuchte noch, sich an einem Regal festzuhalten, aber das Gestell gab allzu leicht nach.
Im Stürzen verlor Baldwin die Waffe. Stöhnend kam er auf die Knie hoch und suchte nach dem Strahler. In dem Moment hörte er Schritte. Benommen hob er den Kopf und sah undeutlich einen Schatten aus dem Halbdunkel des Verkaufsraums näher kommen.
Die Gestalt trug eine gelbbraune Uniform.
»Verdammter Roboter …«, gurgelte Baldwin.
Es gelang ihm nicht, vollends in die Höhe zu kommen. Der Uniformierte schritt dagegen unerbittlich auf ihn zu. In seinem umnebelten Bewusstsein wurde Baldwin Tingmer klar, dass der Roboter ihn im nächsten Augenblick niederschlagen würde.
Panische Besessenheit trieb ihn an. Auf den Knien rutschte er über den Boden, drehte sich um die eigene Achse und versuchte verzweifelt, seine Waffe zu finden. Es gelang ihm nicht.
Der Roboter stand plötzlich über ihm. »Es ist von Vorteil für die Allgemeinheit, wenn du für einen begrenzten Zeitraum zu funktionieren aufhörst«, sagte der Ka-zwo emotionslos.
Tingmer bäumte sich auf. »Verdammtes Ding …!«, schrie er.
Im selben Augenblick sauste die Faust des Roboters herab und löschte sein Bewusstsein aus.
Walik Kauk wusste nicht so richtig, woran er war, als er wieder zu sich kam. Er hielt sich für verwundet, spürte aber keine
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