Silberband 091 - Die Terra-Parouille
Mills. Einmal am Tag pflegte er auf die große Tribüne hinaufzusteigen und sich umzusehen. Von der oberen Sitzreihe aus hatte er einen guten Ausblick zum Sabbathday Lake und zum Sebago Lake.
Nicht, dass Wouznell erwartet hätte, irgendetwas zu entdecken. Er wollte einfach seine Tage einteilen und hatte sich einige Unternehmungen zur Gewohnheit gemacht. Doch bevor er die Tribüne erreichte, fiel ein Schatten über Dry Mills.
Ein verdammter Schneesturm!, war sein erster Gedanke.
Wouznell blickte zum Himmel hinauf und erkannte, dass der bedrohliche Schatten nicht von einer Wolke, sondern von einem ungefügen schwarzen Gebilde stammte, das lautlos über Dry Mills schwebte.
Dieses Ding wurde von irgendetwas eingehüllt, was eine genaue Bestimmung seiner äußeren Umrisse unmöglich machte. Trotzdem glaubte Wouznell, dass es sich um eine Art Flugkörper handelte.
Das Gebilde wirkte fremdartig und bedrohlich. Es schien alle Gefahren in sich zu vereinen, von denen Wouznell sich insgeheim bedroht gefühlt hatte, und für einen Moment fragte er sich, ob er sich das alles womöglich nur einbildete.
Aber nein! Dieses Ding war echt!
Nach einer Weile bewegte sich der schwarze Riesenkörper.
Wie eine Welle am Himmel!, schoss es Wouznell durch den Kopf – und das war der Vergleich, den er später immer wieder benutzte, weil ihm keine besseren Worte einfielen, um das Ding zu beschreiben.
Die Welle … die Wolke … der Flugkörper oder was immer es war, glitt westwärts in Richtung Sebago Lake.
Über der Ebene von Dry Mills kam das Ding zum Stillstand. Es sank tiefer und schien das Land unter sich zu erdrücken und auszulöschen. Eine etliche Quadratkilometer große Fläche war plötzlich schwarz.
Wouznell fiel das Atmen schwer.
Er schüttelte den Druck von sich ab und setzte sich wieder in Bewegung. Unwillkürlich ließ er die Kalzoon-44 fallen, denn sein Instinkt riet ihm, nicht mit einer Waffe herumzulaufen, solange das Ding in der Nähe war.
Er hatte den Eindruck, dass es noch stiller war als sonst, und augenblicklich fiel ihm auf, woher diese Veränderung rührte: Die Vögel waren verstummt!
Wouznell glaubte, dass er sich auf die Signale der Natur verlassen konnte.
Sein Atem ging keuchend, als hätte er eine schwere Last zu tragen. In seinen Ohren rauschte es, und sein Herz schlug bis zum Hals.
Er erreichte den Aufgang zur Tribüne. Flüchtig dachte er daran, dass er dort oben ausgezeichnet zu sehen sein würde, geradezu eine Herausforderung für jeden, der ihn beobachtete. Trotzdem stieg er hinauf. Das Geräusch seiner Schritte erschien ihm so laut, dass er sich fragte, ob es bis hinüber zum Sebago Lake zu hören war.
Wouznell hockte sich auf die oberste Bank, leicht nach vorn gebeugt, die Augen weit aufgerissen. Nach diesem Ereignis, das spürte er mit aller Deutlichkeit, würde nichts mehr so sein wie früher. Das Erscheinen des Gebildes bedeutete die zweite Zäsur in seinem Leben innerhalb weniger Monate.
In einem Anflug von Selbstmitleid fragte sich Wouznell, warum das alles ausgerechnet ihm widerfuhr.
Da sah er den Elchbullen wieder! Das Tier, das er vor Stunden auf der Straße beobachtet hatte, befand sich auf der Ebene von Dry Mills. Es verharrte in abwartender Haltung.
Der Bulle, schätzte Wouznell, befand sich nur wenige hundert Meter von der Stelle entfernt, wo der Schatten des unheimlichen Gebildes begann. Wieder überkam ihn eine Vorahnung. Alles in ihm verkrampfte sich, denn er fühlte mit absoluter Sicherheit, dass etwas passieren würde. Vielleicht hatte die Einsamkeit seine Sinne geschärft, vielleicht war es auch nur eine unbekannte Kraft, die an seine Gedanken rührte – auf jeden Fall wusste er, dass nun etwas geschehen würde.
Der Elchbulle wurde durchsichtig. Er stand in einem Strahlenfinger, der aus der Schwärze unter dem Flugkörper kam und so breit ausfächerte, dass er das Tier in seiner vollen Größe einhüllte.
Wouznell konnte das Innere des Elchs sehen: Organe, Muskeln. Nervenstränge und Knochen. Er wunderte sich, dass der Bulle nicht umfiel oder davonlief oder sonst reagierte.
Nach einem Zeitraum, der ihm wie eine Ewigkeit erschien, wurde das Tier wieder kompakt. Es stand da, als wäre nichts geschehen, als hätte es selbst überhaupt nichts wahrgenommen.
Der Strahl war jedoch nicht erloschen. Er wanderte weiter, lief über das zum Teil von Schnee bedeckte Gras, erreichte die Umzäunung des Tennisplatzes, schuf sich eine leuchtende Schneise auf dem Kunststoffbelag
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