Silberband 092 - Das MODUL
gespreizt abstehenden Fortsätzen. Jetzt bewegten sich die ›Tentakel‹ zur knatternden Stimme, das quallenähnliche Ding zog sich zurück – ich assoziierte das ›Wesen‹ sofort mit Antapex' Zeichnung –, und wie es sich entfernte und kleiner wurde, entpuppte es sich als achtfingrige Hand, die zu einem gelenkigen, biegsamen Arm gehörte.
Nun wurde das wirkliche Wesen sichtbar. Ich vermutete, dass sein Handauflegen auf die Optik eine Art Begrüßung darstellte. Doch da dies reine Spekulation war, ließ ich mich nicht zur Nachahmung verleiten.
Es war ein fremdartiges Geschöpf, wie kaum anders zu erwarten gewesen. Als Erstes stach mir der Kristall ins Auge, den es trug. Doch ich ließ mich von seinem Glitzern nicht ablenken. Es besaß einen pfahlförmigen Körper, der gleichförmig verlief, ohne Einschnürungen, Verdickungen oder Auswüchse. Falls es solche gab, wurden sie von der Kleidung verdeckt: eine dunkelbraune, schmucklose Schutzfolie mit einem V-Ausschnitt unterhalb des Kopfes.
Die Farbe der sichtbaren Haut war ein zartes Rosa. Das Gesicht wurde im oberen Drittel von einem kreuzförmigen Organ beherrscht, das zweifellos das Auge war. Etwas darunter waren seitlich zwei fühlerähnliche Stäbchen angeordnet, bei denen es sich um die Gehörorgane handeln mochte.
Unter dem kreuzförmigen Sehorgan befand sich eine kreisförmige Öffnung von beachtlichem Durchmesser – es waren an die zehn Zentimeter. Dieser ›Mund‹ bildete das faszinierendste Organ. Er wirkte nämlich starr, knapp hinter der Öffnung spannte sich ein Hautsegment, zweifellos eine Sprechmembrane. Sie wiederum war durchlöchert, und beim Sprechen zuckten aus den Öffnungen kleine Saugrüssel hervor, die kaum nur der Stimmmodulation dienten, sondern wahrscheinlich auch zur Nahrungsaufnahme.
Das Leuchten des Diamanten ignorierend, der oberhalb des v-förmigen Ausschnitts saß, ließ ich meine Augen an dem oder der Fremden weiterwandern. Die dünnen Arme, die oben aus dem schlanken Körper wuchsen, besaßen zwei Gelenke, sodass sie grotesk abgewinkelt und fast schlangengleich bewegt werden konnten.
Unten endete der Körper in einer Art Steiß oder einem ›Schwanzstummel‹, was mich entfernt an ein Reptil erinnerte. Etwa dreißig Zentimeter oberhalb des Steißes ragten die beiden dünnen Beine heraus, die nur ein Gelenk aufwiesen und in knochigen Füßen endeten, deren acht Zehen fächerförmig nach vorne ausliefen. Das garantierte dem Fremden einen guten Stand.
Obwohl ich mir Zeit ließ, war ich mit meinen Beobachtungen nicht zufrieden. Am Ende hatte ich das Gefühl, trotzdem einiges übersehen zu haben.
Die knarrende Stimme trat etwas in den Hintergrund, als der COMP die Sprache übersetzte.
»Er ist ein Choolk, ein Beauftragter der Kaiserin von Therm«, gab der COMP die Worte des Fremden zweifellos mehr sinngemäß als wortgetreu wieder. Das war weniger vorteilhaft für die Translatoren, aber sie würden auch dieses Problem meistern.
»Der Choolk ist ein führendes Mitglied der kaiserlichen Leibgarde«, fuhr die Stimme des COMPs fort. »Sein Volk hat eine große Verantwortung zu tragen, es hat eine große Bestimmung im Machtbereich der Kaiserin von Therm, und wenn es dieser Bestimmung nachkommt, dann ist ein fernes Ziel erreicht. Und dieser Choolk hat gegenwärtig von allen die größte Verantwortung zu tragen, denn sein Streben gilt dem Höchsten.«
Der COMP machte eine kurze Pause, doch der Fremde sprach unverdrossen weiter. Er gab mir keine Gelegenheit zu einer Entgegnung, und er schien auch gar keinen Wert darauf zu legen, dass ich mich vorstellte oder ihn wenigstens begrüßte. Ich fragte mich nur, ob der COMP den ›Leibgardisten‹ der Kaiserin zu Hilfe gerufen hatte oder ob die Kaiserin den Choolk entsandt hatte.
»Er bittet um die Erlaubnis, an Bord der SOL kommen zu dürfen«, übermittelte der COMP schließlich. »Dieses Begehren muss ich absolut unterstützen.«
»Darauf allein kommt es nicht an«, erwiderte ich etwas gereizt. »Das hängt vor allem von dem Grund ab, den der Choolk uns nennt, ob wir seinem Wunsch nachkommen.«
»Er ist Leibgardist der Kaiserin von Therm!«, stellte der COMP fest, als sage dies alles.
»COMP, wir bestehen darauf, zu erfahren, was es mit dieser Begegnung auf sich hat und warum sie stattfindet.«
Ich fragte die Telepathen Gucky und Fellmer Lloyd, ob sie Gedankenkontakt zu dem Fremden gehabt hatten. Doch es war ihnen unmöglich gewesen, die Gedanken des Choolks zu lesen.
Wieder
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