Silberband 094 - Die Kaiserin von Therm
tun.«
»Was ist das Große Leuchten?«, wollte Bull wissen.
»Das Götterfeuer am Nachthimmel, Mächtiger. Viele Monde lang wurden unsere Nächte nicht dunkel, weil das Götterfeuer ständig leuchtete. Eines Tages war es wieder erloschen.«
Bully erinnerte sich aus eigener Erfahrung an die letzten Monate vor dem Sturz der Erde in den Schlund. Hyperenergetische Entladungen hatten wie unaufhörliche Gewitter am Nachthimmel getobt. Zweifellos war das die Erscheinung, die der Mucierer als Götterfeuer bezeichnete. Nach dem Sturz in den Schlund hatten die Entladungen aufgehört.
»Lebten die vier Fremden noch, als ihr die Station zerstörtet?«
»Sie lebten noch, und es waren sogar fünf. Sie wohnten in dem Haus, das von einer schimmernden Wolke umgeben war.«
Ein Energiefeld, interpretierte Bully. Es gab also Menschen, die die Große Katastrophe überlebt hatten. Nicht auf der Erde, sondern hier, auf Goshmos Castle. Wo war das fünfte Mitglied der Besatzung geblieben? Er fragte Mitsino.
»Wir wissen es nicht. Vielleicht haben die Fremden ihn mitgenommen, die mit dem ganz kleinen Wolkenschiff kamen.«
Blitzschnell beugte Bull sich vor und packte den Alten an den Oberarmen. »Kleines Wolkenschiff? Fremde? Wie sahen sie aus? Wann war das? – Rede endlich!«
Mitsino schien so erschrocken zu sein, dass er mit sich überschlagender Stimme alles von sich gab, was er wusste. Er berichtete von dem länglichen Wolkenschiff und den Fremden, die darin gekommen waren: den beiden, die ausgesehen hatten wie die Männer vor ihm, dem Metallmenschen und dem ganz und gar Fremden. Er verriet sogar, dass eines der beiden menschlichen Wesen lange Zeit bei den Iti-Iti als Gott gewohnt hatte. Dann aber war es von seinen Freunden wieder abgeholt worden.
Die Zeitrechnung der Mucierer richtete sich nach den Jahreszeiten. Die erste Ankunft des kleinen ›Wolkenschiffs‹, schätzte Bully aufgrund der Aussagen, hatte vor über einem Standardjahr stattgefunden. Der zweite Besuch mochte etwa ein Jahr zurückliegen.
Weder mit der Beschreibung des Raumschiffs noch mit der des ›ganz und gar‹ Fremden konnte Bull etwas anfangen. Den Fremden hatten die Feuerflieger übrigens nur von weitem gesehen. Etwas anderes aber beeindruckte sie zutiefst. Der, den Mitsino einen Metallmenschen nannte, ohne genau zu wissen, was ein Roboter war, hatte zerschlissene gelbbraune Bekleidung getragen.
War es möglich, dass ein Ka-zwo die Katastrophe überlebt hatte?
Die Lage erschien plötzlich nicht mehr so hoffnungslos wie noch vor wenigen Stunden, irgendwo waren also doch Menschen am Leben. Es galt, sie zu finden.
Mitsino begleitete sie zum Landeplatz der Korvette hinauf.
»Übrigens«, sagte Reginald Bull, »hatte der fremde Gott, den du vor kurzem hier gesehen hast, einen Namen?«
»Er nannte sich Ofedam.«
»Sprach er unsere Sprache?«
»Das kann ich nicht beurteilen, Mächtiger. Ich kenne eure Sprache nur, wie sie aus den Zaubergeräten klingt. Der fremde Gott hatte keines.«
»Du sagst, er trug ein Werkzeug bei sich. Beschreibe es!«
Mitsino lieferte eine blumige Beschreibung, mit der Bull nichts anfangen konnte. Aber vielleicht ergab die Untersuchung der Furche weitere Aufschlüsse.
Mitsino hatte die anderen vom Rat der Ältesten in der Halle zurückgelassen und blieb als Einziger bei den Fremden. Als Reginald Bulls Begleiter mit Hilfe des Antigravfelds zur Bodenschleuse der Korvette hinaufschwebten, da wagte er endlich auszusprechen, was er auf dem Herzen hatte.
»Willst du nicht als unser Gott bei uns bleiben, o Mächtiger?«
Bully sah ihn entgeistert an. »Als euer Gott …?«
»Ich gelobe, ich werde dir jeden Tag eine Mahlzeit aus dem kostbaren Fleisch der Silberechse bereiten lassen!«, beschwor ihn der Mucierer.
»Silberechse …?«
»Zwei Mahlzeiten!«, flehte Mitsino.
»Ich kann Silberechsen nicht ausstehen«, wies Bully den Antrag barsch zurück. Aber dann sah er die Angst in Mitsinos Augen. »Warum brauchst du unbedingt einen Gott?«, wollte er wissen.
Der Alte zitterte, und auf seiner geschuppten Stirn bildeten sich Schweißtropfen. »Sie werden mich töten!«, jammerte er. »Sie geben mir die Schuld, dass die anderen Stämme immer unverschämter werden und unsere Krieger töten und dass es mit dem Stamm der Iti-Iti bergab geht. Ich muss einen Gott schaffen, sonst bin ich verloren.«
Reginald Bull hielt den Alten für verschlagen und machthungrig. Doch in diesem Moment bedauerte er ihn sogar. Er hatte kein Recht, in die
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