Silberband 094 - Die Kaiserin von Therm
Dutzend Soberer angeregt diskutierten.
Heysei lachte glucksend. »Damit könnten wir dich in die Zentren bringen, Callazian! Es gibt dort heute noch geheime Ausgänge.«
»Meine Arbeit ist damit getan«, bemerkte Kostroy. »Ich werde dich später zurückbringen, mein Freund.«
Er verschwand in einem Seitengang, und Callazian war mit dem Dragoner allein. Kostroys Weggang irritierte den Archivverwalter, denn er hatte schnell Zutrauen zu dem Informationsunwürdigen gefasst.
Heysei deutete auf den Wagen. Mit einer geschickten Bewegung warf er das Schalende über seine rechte Schulter, dann ging er voraus.
Obwohl Callazian ein Geschlechtsloser war, vermochte er Heyseis Aussehen richtig einzuschätzen. Der Dragoner war klein und hässlich, hatte aber etwas Anziehendes an sich.
Die silberfarbene Bahn erinnerte entfernt an ein großes Projektil.
»Wir haben sie restauriert«, erklärte Heysei, als hätte er Callazians Gedanken erraten. »Das heißt, die Romantiker unter uns haben es getan.«
Sie bestiegen den Wagen. Der Geruch von altem Maschinenöl und Leder lastete überall.
Ein großer Soberer trat ihnen entgegen. Callazian hatte den Eindruck, dass er diesen Mann schon einmal gesehen hatte, doch momentan ließ ihn seine Erinnerung im Stich.
Der Große ergriff Callazian am Arm und führte ihn in das Hauptabteil der lichtüberfluteten Bahn. Alle blickten ihnen mit einer Mischung aus Neugier und Freundlichkeit entgegen.
»Das ist der Archivverwalter!«, rief Heysei. Wenn er seine Stimme hob, bekam sie einen schrillen Beiklang. »Sein Name ist Callazian!«
Da Männer und Frauen anwesend waren, machte Callazian das höflich neutralisierende Zeichen des Geschlechtslosen.
Jemand reichte ihm einen Becher mit warmem Wasser und einige Trockenkuchen. Callazian aß und trank langsam, denn das gab ihm Gelegenheit, sich an die neue Umgebung zu gewöhnen.
»Mein Name ist Zosarios«, sagte der große Mann unterdessen. »Wenn du so willst, bin ich der Anführer dieser Gruppe, obwohl der Ausdruck Organisationsleiter besser geeignet wäre.«
Callazian hielt unwillkürlich den Atem an. Zosarios war einer der führenden Tiotroniker auf Blosth. Er gehörte sogar zu den Hauptkommunikatoren der Zentraltiotronik. Wie kam dieser Mann hierher – und vor allem als Teilnehmer an einem Komplott? Das war undenkbar!
Immerhin wusste Callazian nun, wo er diesen Mann schon gesehen hatte. Mit einer Gruppe Technikern hatte Zosarios vor zwei Jahren das Archiv besucht, um sich ein Bild von den dort geleisteten Arbeiten zu machen.
Callazian hörte Heysei an seiner Seite kichern. »Er hält uns für Revolutionäre«, sagte der Dragoner.
Die dichten Schuppen über Zosarios' Augen zogen sich zusammen.
»Wir sind Teilnehmer an einem wissenschaftlichen Projekt. Dieses Projekt würde nicht die Unterstützung offizieller Stellen finden, deshalb wird es von einer Gruppe verantwortungsbewusster Soberer im Geheimen vorbereitet.« Er machte eine umfassende Geste. »Fast alle Soberer hier sind Wissenschaftler.«
»Wir haben Sympathisanten auf ganz Blosth«, fügte eine stämmige Frau hinzu, die nach Callazians Schätzung kurz vor dem informationsunwürdigen Alter stand.
»Wollt ihr die tiotronische Ordnung abschaffen?«, erkundigte sich Callazian.
»Sie lässt sich nicht mehr beseitigen, weil sie unsere gesamte Zivilisation durchdringt«, erwiderte Zosarios. »Natürlich wäre eine gewaltsame Lösung denkbar, aber dann würde unsere Zivilisation noch schneller zerstört sein, als wir es unter den gegenwärtigen Umständen befürchten müssen. Unser Volk ist den falschen Weg gegangen, das lässt sich nicht mehr ändern.«
Callazians Verwirrung wuchs.
»Es geht uns darum, unser Vermächtnis zu retten«, fuhr Zosarios fort. »Im Verlauf von Jahrmillionen haben wir eine unvorstellbare Wissensfülle zusammengetragen. Das darf nicht verloren gehen, auch wenn unsere Zivilisation allmählich zerbrechen sollte.«
»In den Archiven wird alles aufbewahrt!«, sagte Callazian naiv.
Zosarios überhörte ihn. »Es gibt statistische Erhebungen«, erklärte er. »Die Zahl der kriminellen Taten nimmt erschreckend zu, aber sie sind noch gering im Vergleich mit den Aktivitäten psychisch gestörter Soberer. Es gibt fast genauso viele Verrückte wie Normale, und das Verhältnis verschlechtert sich ständig zu unseren Ungunsten.«
Diesen bedeutenden Mann so ratlos und verzweifelt zu hören erschütterte Callazian. »Aber es wird sehr viel auf diesem Gebiet
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