Silberband 095 - Mensch aus dem Nichts
erkämpfen, kam die Antwort. Dann hast du gesiegt.
»Wie gelange ich ins Zentrum?«
Durch das Labyrinth.
Der Vario erkannte, dass er bisher am eigentlichen Problem vorbeigegangen war. Es galt, das Schema zu finden, nach dem das Labyrinth angelegt worden war. Er befand sich irgendwo in diesem Irrgarten zwischen dem Zentrum der Anlage und dem Ausgang zur Oberwelt. Beides schien für ihn unerreichbar, und ihm wurde deutlich, dass er nicht zu den Keloskern zurückkehren konnte, wenn er nicht vorher die an ihn gestellten Anforderungen erfüllte. Er musste ins Zentrum gelangen, dort lag der Schlüssel zu seiner Freiheit.
Er ortete vergeblich. Überall waren Störfelder.
Er raste mit Höchstgeschwindigkeit durch die Gänge. Aber er hatte das Gefühl, sich im Kreis zu bewegen.
Ein neuer Kriegsruf erscholl vor ihm. Ein Heroe kam in der bekannten rituellen Art näher, die er jedoch individuell abgewandelt hatte. Die Positronik schaltete sofort und ließ den Vario das Kampfritual nachvollziehen – und ebenfalls abwandeln.
So belauerten sich die beiden Widersacher.
Die Bio-Komponente des Varios zog sich zur Beobachtung zurück und überließ der Positronik die Verteidigung. In der Ortung zeigte sich der Heroe als kompliziertes Strahlungsmuster, das sich im Rhythmus der Bewegungen veränderte.
Der Vario eröffnete das Feuer aus dem Thermostrahler. Unter Dauerbeschuss veränderte sich das Strahlungsmuster der Energieprojektion, und aus der verwirrenden Fülle schälten sich Schemata heraus, das Muster wurde deutlicher und offenbarte sich nicht nur als Teilplan des Labyrinths, sondern zeigte sogar den momentanen Standort an.
Bevor die Bioplasma-Komponente alle Einzelheiten registrieren konnte, verging der Heroe im Dauerfeuer.
Die beiden Gehirn-Komponenten des Vario-500 wurden über den Bioponblock wieder zu einer Biopositronik vereint. Nun wurde ihm endgültig deutlich, welche Aufgaben die Energieprojektionen hatten. Ein normales Wesen hätte ihre Funktion nie erkannt, ebenso wenig wie ein nicht mit schöpferischem Denken begabter Roboter. Das Turnierspiel war ein kompliziertes Puzzle, in dem jeder Heroe nur ein Teilstück bedeutete. Der Vario fragte sich, wer so verspielt war, ihm auf diese Weise Informationen zukommen zu lassen: die Zentrale von Nekropolis oder Einsam?
»Wo sind die Helden der Llungorenischen Schlachtfelder?«, signalisierte er. »Sind die Heroen zu feige, sich Varioggantenmaggenen zum Kampf zu stellen? Lügen die Hymnen, die den llungorenischen Mut lobpreisen?«
Diese Herausforderung blieb nicht ungehört. Die Energieprojektionen der Heroen erschienen eine nach der anderen. Und jede zeigte durch ihr Strahlungsmuster dem Vario ein Stück des Weges ins Herz von Nekropolis, bis sie ihn endlich an sein Ziel gewiesen hatten.
Die Zentrale von Llungo-Mokran war im Vergleich zu dem riesigen Labyrinth, das sich bis tief unter die Oberfläche von Houxel und an den Rand der Zwielichtzone erstreckte, klein und unscheinbar. Bedienungsinstrumente, wie der Vario sie kannte, gab es nicht. Nekropolis wurde durch Funkimpulse gesteuert. Über die Kuppeldecke spannte sich ein Abbild des Irrgartens – und darin waren Impulsgeber und -empfänger untergebracht.
Angesichts dieser Schaltzentrale wirkte der humanoide Roboter wie ein Anachronismus. Einsam stand in der Mitte der Zentrale und erwartete den Vario.
»Du hast gesiegt«, erklärte er. »Du hast die Prüfung bestanden und kannst nun meine Nachfolge antreten. Aber glaube nicht, dass du als Herrscher über das Llungo-Mokran deine eigenen Ziele verfolgen kannst. Llungo-Mokran bin ich – und ich werde darüber wachen, dass du den llungorenischen Heroengedanken hochhältst. Ich weiß, dass du dazu fähig bist, das hast du durch deinen Sieg über Einsam bewiesen.«
»Bist du nicht Einsam?«, fragte der Vario verblüfft.
»Ich bin Llungo-Mokran. Einsam wurde eliminiert.«
Allmählich erkannte der Vario-500 die Wahrheit, und es war tatsächlich so, dass die Erkenntnis nur langsam in sein Bewusstsein einsickerte. Denn der positronische Teil seines Gehirns verwarf die Möglichkeit als unlogisch, dass die Robotanlage unter einer Art Schizophrenie litt. Aber leugnen ließ sich dieses Spaltungsirresein ebenso wenig – es musste sich sogar um eine mehrfache Bewusstseinsspaltung handeln.
»In mir gibt es keine Einsamkeit«, sagte der Roboter. »Ich bin Llungo-Mokran, und ich vereine drei Millionen Helden in mir.«
Der Bioplasma-Anteil des Varios empfand die Szene
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