Silberband 099 - Treibgut der Sterne
hast einen ausgeprägten Intellekt. An dir fasziniert mich weniger das Aussehen als deine Persönlichkeit. Außerdem ist da ein ganz wichtiger Punkt, der den Ausschlag gegeben hat.«
»Der wäre?«, fragt sie.
»Ich fühle mich zu dir außergewöhnlich stark hingezogen.«
»Das hat mir noch kein Mann gesagt.« Sie klingt belustigt.
»Ich meine das anders«, erwidert er leicht ungehalten. »Ich habe vorhin meine Paratender erwähnt. Das sind Menschen, die geistig mit mir auf einer Wellenlänge liegen. Ich nenne es eine Psi-Affinität, die es zwischen uns gibt. Aber während die Paratender nur Perzipienten für meine Sendungen sind, habe ich bei dir das Gefühl, dass du mir gleichwertiger bist. Verstehst du, ich bin mit dir stärker psi-affin als mit allen anderen. Du bist mehr als ein Empfänger, du sendest auch. Unbewusst vielleicht nur, aber ich merke den Unterschied.«
»Tatsächlich?« Sie gibt sich unsicher und zeigt leichtes Unverständnis. »Irgendwie machst du mir Angst. Erzähle mir lieber, was mit Virna Marloy geschah. Bekam sie ihr Kind?«
»Würde ich sonst vor dir stehen?«
»Moment, das muss ich erst verdauen. Willst du sagen, dass sie deine Mutter war und Harzel-Kold dein Vater?«
»Die beiden haben mich gezeugt, deshalb gelten sie als meine Eltern. Aber was ich bin, das habe ich nicht ihrem Erbgut zu verdanken. Sie haben mir zum Leben verholfen, mehr nicht. Meine geistigen Eigenschaften jedoch, mein Ich …«
»Nicht so hastig«, unterbricht ihn die Frau. »Lass uns eines nach dem anderen klären, damit ich nicht die Übersicht verliere. Du hast gesagt, dass Virna Marloy im Jahre 3491 nach Zwottertracht ging.«
Er lächelt sein unwiderstehliches Jungenlächeln. »Neun Monate später wurde ich geboren. Sieht man mir an, dass ich im vierundneunzigsten Lebensjahr stehe?«
»Nein, ganz und gar nicht.«
3492 – Harzel-Kold
Galinorg kam etwas früher zum Treffpunkt, aber die Frau war schon da. Als er den Konferenzraum betrat, sprang sie von ihrem Platz am Tisch auf. Sie trug ein vincranisches Hosenkleid, aber nicht aus Tradition, sondern der gäanischen Mode gehorchend. Sie war keine Vincranerin. Vielleicht trug sie das lose Gewand auch nur, um ihren Zustand zu verbergen. Sie war schwanger.
»Sind Sie der Vakulotse Galinorg?«, fragte sie atemlos. »Ich heiße Virna Marloy. Bitte nehmen Sie Platz.«
Er setzte sich ihr gegenüber an den Tisch. Sie hatte ein rundes, aufgedunsenes Gesicht, dennoch zeigten sich um ihre Mundwinkel tiefe Kerben.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte er höflich.
»Man hat mir gesagt, dass Sie mir weiterhelfen können«, erklärte sie zwischen hastigen Atemzügen. »Ich versuche seit Wochen, mit Harzel-Kold Kontakt zu bekommen, aber niemand kennt seinen Aufenthalt. Durch Zufall erfuhr ich, dass Sie ihn auf einer Expedition zum fünften Planeten des Prov-Systems begleiteten. Stimmt das?«
»Es ist richtig.«
»Wissen Sie, wo sich Harzel-Kold jetzt aufhält?«
»Er wollte in die Dunkelwolke zurückkehren.«
»Nach Zwottertracht?«
»Das sagte er zumindest.«
Virna Marloy machte ein Gesicht, als seien ihre schlimmsten Befürchtungen eingetroffen. Sie schien mit sich um einen Entschluss zu ringen, bis sie endlich aufsah und mit leiser Stimme und fast widerwillig sagte: »Würden Sie mich nach Zwottertracht fliegen?«
»Das ist nicht zu machen. Ich habe mich entschlossen, für eine Weile in Sol-Town zu bleiben.«
»Ich werde Sie gut bezahlen.« Virna legte eine Kreditkarte auf den Tisch. »Das sind meine gesamten Ersparnisse. Sie können darüber verfügen.«
»Es geht mir nicht um Geld«, sagte Galinorg fest. »Wenn es sein müsste, würde ich Sie auch umsonst an jeden gewünschten Ort fliegen. Aber ich meine, dass Sie in Ihrem Zustand auf Gäa besser aufgehoben sind.«
»Es ist Harzels Kind.«
»Das macht keinen Unterschied. Sie hätten sich der möglichen Folgen bewusst sein müssen, bevor Sie sich mit einem Vakulotsen einließen.«
Galinorg hatte alles gesagt. Er stand auf.
»Sie missverstehen meine Situation«, protestierte die Frau. »Wenn es nach mir ginge, würde ich bestimmt nicht nach Zwottertracht zurückkehren. Es ist das Ungeborene, das mich dazu treibt. Das Kind drängt mich zu dieser Handlungsweise!« Sie schrie und trommelte sich verzweifelt auf den prallen Leib.
»Das Kind?« Galinorg setzte sich wieder, ohne dass es in seiner Absicht lag. »Wie kann ein Ungeborenes Sie beeinflussen?«
»Es klingt unglaubwürdig, und doch ist es so.
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