Silberband 099 - Treibgut der Sterne
Wer sollte mich sonst gegen meinen Willen dazu bringen, nach Zwottertracht zu wollen?«
Galinorg dachte an Harzel-Kolds Sammelleidenschaft. Ihre Expedition zum fünften Prov-Planeten hatte den Zweck gehabt, ein Kunstwerk zu suchen. Harzel-Kold war bitter enttäuscht gewesen, dass sie es nicht gefunden hatten. Galinorg fragte sich, ob zwischen den als verboten geltenden Kunstwerken und dem Schicksal der Frau ein Zusammenhang bestand. Je mehr er darüber nachdachte, desto geneigter war er, ihr zu helfen.
»Wenn Ihnen wirklich so viel daran liegt, bin ich bereit, Sie nach Zwottertracht zu bringen«, hörte er sich selbst sagen. Erschrocken über seine spontane Entscheidung, begegnete er ihrem wissenden Blick.
»Es würde mich nicht wundern, wenn er es war, der Sie umgestimmt hat«, sagte Virna Marloy und deutete auf ihren prallen Leib.
Es gab nur wenige Vincraner, die Zwottertracht anflogen, und es gab keinen einzigen Vakulotsen, der einen Gäaner zu dieser Welt gebracht hätte. Seit den Gäanern ein Psychod in die Hände gefallen und von den Mutanten untersucht worden war, versuchten sie, diese Kulturzeugnisse eines untergegangenen Volkes aus dem Verkehr zu ziehen. Ihre Erkenntnis, dass die Psychode psionische Sendungen ausstrahlten, war nicht neu. Die Vincraner hatten dies längst schon erkannt und die Kunstgegenstände für tabu erklärt.
Harzel-Kold war eine Ausnahme. Er schien jene Hemmung nicht zu besitzen, die anderen Vincranern zu eigen war, oder aber er setzte sich bewusst darüber hinweg. Jedenfalls war er ein Außenseiter, der kaum Freunde in seinem Volk hatte. Galinorg kannte keine Vorurteile, dennoch war ihm Harzel-Kold während ihres kurzen Beisammenseins unheimlich geworden.
Genau das hatte Virna während des Fluges von dem Vakulotsen erfahren. Als er auf Zwottertracht landete, befand er zudem, dass diese Welt wie geschaffen für Harzel-Kold sei. Es erschien ihm beinahe sicher, dass der Planet, die Eigenart der Zwotter und der Umgang mit den Psychoden Harzel-Kold geformt hatten.
Virna stand auf dem kleinen Landeplatz hinter dem bunkerartigen Gebäude und blickte dem startenden Schiff nach. Jede weitere Unterstützung, die Galinorg ihr dennoch angeboten hatte, hatte sie abgelehnt.
Hinter den Kakteenstämmen tauchte ein Zwotter auf. Virna lächelte, als sie Blinizzer erkannte. Er starrte mit vor Entsetzen großen Augen auf ihren Bauch. »Was weh, was weh«, wimmerte er. »Was schmerzensreiche Kränkung du hast?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht krank«, erwiderte sie. »Eigentlich müsste ich mich über diesen Zustand freuen, aber … lassen wir das. Ich muss mich über dich wundern, Blinizzer. Wie vermehrt ihr euch denn? Hast du nie eine schwangere Zwotterfrau gesehen?«
Blinizzer kreischte und schlug mit den Armen um sich. Dabei rannte er im Kreis, entfernte sich ein Stück von ihr und kam dann mit sichtlichem Unbehagen zurück. »Aber nie, aber nie das gesehen«, sang er hysterisch. »Schwangerisch war obszön und ach hygienisch in Versteckung.«
Virna interpretierte das so, dass die Zwotterfrauen sich während der Schwangerschaft versteckten und erst nach der Geburt zurückkehrten. Vielleicht waren die Zwotter auch androgyn, Mann und Frau in einem, und machten zu dem Zeitpunkt, da sie für Nachkommen sorgen wollten, eine Geschlechtsumwandlung durch. Möglich ebenso, dass die Zwotter während dieser Frau-und-Mutter-Periode die Erinnerung an ihr männliches Dasein vergaßen und umgekehrt, wenn sie geboren hatten und wieder männlich oder auch geschlechtslos wurden, das Davor aus ihrer Erinnerung verdrängt wurde … Virna erschrak über ihren komplizierten Gedankengang. Früher hatte sie sich nie zu solchen Spekulationen hinreißen lassen.
»Wie geht es Harzel?«, fragte sie.
Blinizzers Lidwülste zuckten. »Was untröstlich«, jammerte er im höchsten Falsett. »Harzel-Kränkung und von wegen Essen, aber wiederum sein nur Einkerkerung, das Einsamung und palavernd.«
»Steht es so schlimm um ihn?«, sagte Virna, die aus Blinizzers Kauderwelsch nur heraushörte, dass sich Harzel von der Umwelt noch mehr abkapselte als früher. »Bringe mich zu ihm!«
Sie bemerkte, dass der Kakteenwald ziemlich verwahrlost war. Keine Zwotter waren zu sehen, die Unkraut jäteten und das Wachstum der Schmarotzerpflanzen regulierten.
Sie erreichten das Hauptportal gerade, als die Sturmsirene aufheulte. Die Läden schlossen sich knapp hinter ihnen.
Auch im Haus herrschte Unordnung. Zweifellos fehlte
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