Silberband 099 - Treibgut der Sterne
Königreich beobachten.«
Er lachte irr.
»Nicht wir Vincraner sind die Herren der Provcon-Faust. Die Dunkelwolke gehört uns ebenso wenig wie den Provconern oder euch Gäanern. Die wahren Herren haben sich in den Psychoden und der Sphäre verewigt. Ich weiß nicht, worauf sie warten, aber eines Tages werden sie wieder die Herrschaft antreten. Ich habe das erkannt, deshalb werden sie mich töten.«
»Du bringst dich selbst um, wenn du so weitermachst!«, herrschte sie ihn an. »Du musst zu dir zurückfinden, Harzel. Meinetwegen und um deines ungeborenen Sohnes willen, denn er braucht dich. Hörst du mir überhaupt zu? Ich bekomme ein Kind von dir!«
»Ich weiß«, sagte er niedergeschlagen. »Ich weiß es längst. Mir ist seit einiger Zeit klar, dass sie sich mit den Informationen des Auges allein nicht mehr begnügen können. In der Provcon-Faust hat es eine explosionsartige Entwicklung gegeben, sie müssen sich dieser anpassen. Sie brauchen einen Agenten, der …«
»Sei still!«, schrie Virna ihn an. »Du weißt nicht, was du redest. Es ist unser Kind, Harzel …«
»… das unter dem Einfluss der Psychode gezeugt wurde«, vollendete er den Satz. Er setzte sich auf und umklammerte ihre Arme. »Du wirst dieses Kind bekommen, Virna, das lässt sich nicht mehr verhindern. Aber wenn du es zur Welt gebracht hast, dann vergiss es. Schenke ihm keinen Blick, verschwende keinen Gedanken an deinen Sohn. Lass ihn auf Zwottertracht und gehe nach Gäa zurück. Das musst du mir versprechen. Schwöre es mir!«
»Aber …«
»Leiste diesen Schwur. Um deinetwillen!« Seine Knochenfinger gruben sich in ihre Arme.
»Harzel, du tust mir weh … Ich schwöre. Bitte, lass mich los, ich schwöre alles, was du willst.«
Er ließ sie los und lehnte sich erschöpft an die Wand. »Mehr kann ich nicht tun. Sie nehmen mir alle Kraft.« Er stieß sich ab. »Leb wohl, Virna. Du hast mir die größte Enttäuschung meines Lebens gebracht, weil du mir auf dem Weg zur Erleuchtung nicht folgen wolltest. Aber jetzt bin ich froh, dass du dich herausgehalten hast.«
Er war schwach. Sich an den Wänden abstützend, verließ er die Kammer.
Virna saß lange reglos da, bis sie sich entschloss, ihm zu folgen. Sie holte ihn nicht mehr ein, sondern fand ihn in seinem Museum auf dem Boden liegend, umgeben von den kalten Kulturzeugen eines vergangenen Volkes, für die er gelebt hatte – und die ihn letztlich getötet hatten, auf welche Weise auch immer.
Virna schrie auf, als eine Schmerzwoge ihren Körper durchraste. Sie raffte sich mit letzter Kraft auf und verließ die unheimliche Halle.
»Blinizzer!«, rief sie. »Es ist so weit … die Wehen …«
»Blinizzer hilfreich«, hallte der Gesang des Zwotters durch den Korridor.
Blinizzer brachte sie zum Geländewagen. Auf ihre Frage, warum sie ihr Kind nicht hier bekommen könne und wohin er sie bringe, gab er einen unverständlichen Gesang von sich.
Gleich hinter den letzten Kakteen der Oase gerieten sie in einen Sandsturm. Blinizzer übertönte das enervierende Prasseln der Sandkörner auf der Karosserie.
Nachdem der Sturm abgeflaut war, sang er ein einschmeichelndes Lied. Virna empfand das als beruhigend. Sie hätte gerne geschlafen, aber das dumpfe Wogen und Ziehen in ihrem Körper ließ sie nicht zur Ruhe kommen.
»Sing weiter, Blinizzer«, bat sie, als er verstummte. Doch der Zwotter brachte nur noch ein Krächzen über die Lippen. Zweifellos verkraftete er die Situation seelisch nicht. Er hatte nie eine schwangere Frau gesehen, geschweige denn war er in die Lage geraten, Geburtshilfe leisten zu müssen.
Virna wurde im Fond des Wagens durchgeschüttelt. Manchmal hob sie den Kopf, um zu sehen, wo sie sich befanden, aber das Gebiet, durch das sie kamen, war ihr fremd. Irgendwann fuhren sie in eine Schlucht ein. Blinizzer gab seltsame Laute von sich.
»Armer Blinizzer, das hättest du dir sicherlich nicht träumen lassen.«
»Nie mehr Traum!«, bestätigte der Zwotter. »Blinizzer höchst nervösgradig.«
Der Wagen hielt. Blinizzer stieg nicht aus, er gab nur ein durchdringendes Geheul von sich. Virna öffnete den Wagenschlag, da sah sie zwei Zwotter auf sie zukommen. Sie stimmten mit Blinizzer einen Kanon an, dann nahmen sie sich ihrer an, während Blinizzer ohne ein Wort des Abschieds davonfuhr.
Virna wurde in eine Höhle gebracht. Dunkelheit umfing sie.
Von überall her erklangen qualvolle Schreie. Sie fragte sich, ob der Ort so etwas wie die Gebärstätte der Zwotter war.
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