Silberband 099 - Treibgut der Sterne
verschwand.
Leticrons Aufzeichnungen
»Das Experiment hatte vielversprechend begonnen, doch nun muss ich es als gescheitert betrachten. Ich wollte Ebenbilder von mir, eines wie das andere so stark wie ich, aber um nichts stärker. Mit identischer Intelligenz und mir wie aus dem Gesicht geschnitten.
Was für ein Team hätten wir abgegeben! Alle diese Zwillinge wären aus einer einzigen Zelle von mir hervorgegangen. Zwillinge, das Wort ist natürlich nicht zutreffend, es muss Viellinge heißen. Ich sage dennoch Zwillinge, weil Prether sie zum Vergleich für sein Experiment genommen hat.
Als ich meinte, der Ara solle mir eine Zelle von der Daumenkuppe abkratzen und daraus ein Heer von Viellingen machen, da sah er mich an, als sei ich verrückt. Ich hätte ihm vor Wut beinahe den Hals umgedreht. Aber als Genetiker konnte er nicht anders, als meine Naivität zu belächeln. Ich erfuhr auch, warum. Je höher differenziert eine Zelle ist, etwa eine Hautzelle, die ja ein endgültiges Stadium erreicht hat, umso schwerer ist es, sie auf ihren Ausgangspunkt zurückzusteuern. Er entnahm mir also andere Zellen, holte sie aus dem Rückenmark und von einigen Organen, letztlich entschied er sich für eine Samenzelle. Ich glaube, er unterzog mich dem nur, damit ich seine Arbeit entsprechend würdigte.
Das hat er nun davon. Von ihm selbst existiert keine einzige Zelle mehr. Er ist ausgelöscht – wie das gesamte Experiment.
Als er die Erbschäden meines ersten Ablegers eingestand, die bei diesem mehr zum Ausdruck kamen als bei mir, da ahnte ich kommende Schwierigkeiten. Aber Prether verstand es, die Sache einfach darzustellen. Eine Infektion mit einem verharmlosten Virus – und erledigt!
Was für ein Schock für mich, als ich Trookan nach der angeblich harmlosen Behandlung begegnete. Er war nicht mehr wie ich, sondern ein Monstrum. Nicht, dass ich mich vor ihm geekelt hätte oder dass sein Aussehen meinen Stolz getroffen hätte. Aber mein Image wäre angekratzt gewesen, denn jeder hätte auf ihn gezeigt und gesagt, seht euch diesen Bastard an, der Leticrons Zwilling ist und mit ihm identisch sein soll, und wahrscheinlich ist er das, denn beim Klonen wurde sein Innerstes nach außen gekehrt. Sicher ist Leticron in Wirklichkeit so ein Bastard, nur konnte er das bisher verbergen.
Gegen diese Spötter hätte ich mich leicht durchgesetzt. Allerdings erkannte ich, dass ich mich vor Trookan zu fürchten hatte. Er war mir überlegen. Die Aras hatten ihn zu einem Mutanten gemacht, der sein Aussehen verändern konnte. Ich weiß nicht, ob er auch Gedanken lesen konnte, aber wenn er mich ansah, ließ mich die Befürchtung schaudern, dass er meine geheimsten Wünsche erfahren könnte. Ich habe nicht einmal einen Beweis dafür, dass er wirklich zukünftige Ereignisse voraussehen konnte, wie er behauptete. Mir genügte es, dass er anders als ich war und mir in manchen Punkten überlegen. Ich hätte keine ruhige Minute mehr vor ihm gehabt. Selbst wenn er mir noch so zugetan war und mir Treue schwor. In einem gnadenlosen Machtkampf, wie ich ihn zu führen gedenke, kann man nur sich selbst vertrauen. Und Trookan war nicht mehr ich. Irgendwann hätte er seine Überlegenheit erkannt und sich gefragt, warum er sich mir unterordnen sollte.
Mit einem geklonten Trookan wäre ich wahrscheinlich sogar fertig geworden. Aber mit Tausenden oder gar Hunderttausenden dieser Monstren nicht. Irgendwann hätten sie die Herrschaft an sich gerissen.
Ich flüchtete beinahe. Erst als ich meine Flotte erreichte, fasste ich einen Entschluss. Trookan konnte meine Absicht also nicht durchschauen, selbst wenn er ein Telepath war, denn mein Plan entstand, nachdem ich außerhalb seiner Reichweite war. Ich musste die Ara-Station mit Trookan und der ganzen Brut vernichten!
Ich erweckte den Anschein, dass die Laren den Stützpunkt entdeckt hatten. Es sollte so aussehen, als hätten sie ihn vernichtet. Damit sicherte ich mich für den Eventualfall ab, dass jemand wider Erwarten überlebte.
Auf gewisse Weise war ich froh, dass die Klonstation ausgelöscht war. Nun konnte ich Hotrenor-Taak wieder mit ruhigerem Gewissen gegenübertreten. Seine Spione hatten ihm das Gerücht zugetragen, dass ich in einem Geheimstützpunkt ein Heer aufrüste. Ich konnte ihm Aufnahmen von der Vernichtung des Stützpunktes vorlegen, und der Verkünder der Hetosonen war zufrieden. Mehr hat er nie erfahren.
Niemand wird je die volle Wahrheit erkennen, es sei denn, er findet diese
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