Silberband 099 - Treibgut der Sterne
Schlauch aussah. An diesem Schlauch war ein Seil befestigt – und an dessen Ende eine Haltestange mit T-förmigem Doppelgriff.
Die Gys-Voolbeerah hatten diese Ausrüstung scherzhaft ›Ballon-Lift‹ getauft. Lucknor berührte eine bestimmte Stelle der Schachtwand. Zischend bewegte sich das schlauchartige Etwas und blähte sich auf. Ihnen beiden war klar, dass die Ballonfüllung aus simplem Heliumgas bestand. Sie griffen nach der Haltestange, und als die Plattform nach unten wegklappte, schwebten sie in der Luft. Ytter berührte mit dem Daumen einen Sensorpunkt an dem Haltegriff.
Mit leisem Zischen entwich Helium aus dem Ballon, und Sekunden später sank er mit seiner Last tiefer – in einen Schacht hinein, der durch den unteren Bereich der Schlammmasse und danach durch massives Felsgestein führte.
Wieder einmal bewunderte Lucknor die Genialität, mit der das Problem der Ortungssicherheit gelöst worden war. Wo keine Energie benötigt wurde, konnte nichts angemessen werden. Deshalb hatten weder Laren noch Überschwere jemals in das eigentliche Reich des Freifahrerkaisers eindringen können.
Sie landeten auf dem Grund des siebzig Meter tiefen Schachtes und schwangen sich durch eine Öffnung der Schachtwand in eine schmale Rinne, die mit einem Gefälle von etwa zwanzig Grad abwärts führte. Der Fluorplastbelag machte sie zu einer idealen Rutschbahn.
Die Rutsche wurde zur schneckenförmigen Bahn, gleich darauf erreichten die Gys-Voolbeerah das Ende der Spirale. Die Ankunftshalle gehörte schon zur Ausweichzentrale des Freifahrerkaisers, aber noch war mithilfe eines Prallfeldgleiters ein breiter Tunnel zu durchqueren, der um den Schlot eines schwach tätigen Subvulkans herumführte.
Schließlich standen die beiden Gys-Voolbeerah rund dreihundert Meter unter dem Grund des Trap-Ozeans, im Eingang des größten Saales, und schauten auf ihre aufgeregt hin und her laufenden Brüder – und auf etwas, dessen Anblick ihnen einen Schock versetzte …
Im Saal verstreut lagen große Insektoiden mit grünen Chitinpanzern, die Glieder steif in die Luft gestreckt. Sie rührten sich nicht, aber aus winzigen Öffnungen der Panzer quoll stoßweise eine zähflüssige Substanz hervor, die jeden Körper allmählich einhüllte.
Ytter entdeckte Baikwietel. Gefolgt von Lucknor, eilte er auf den von Andromeda gekommenen Gys-Voolbeerah zu. »Was geschieht hier?«, fragte er.
Die Gurrad-Kopie wandte sich ihm zu. »Wir wissen es nicht, Ytter. Wir können nur vermuten, dass dieser Vorgang, der alle Brüder aus der Galaxis NGC 628 betrifft, auf den arteigenen Metabolismus der kopierten Chrumruch zurückzuführen ist.«
Ytter schüttelte den Kopf. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Cloibnitzer das Risiko eingegangen sein sollte, bei der Umwandlung seine Moleküle dem Metabolismus der Chrumruch zu unterwerfen. Von uns allen hat er die größte Anzahl fremder Intelligenzen kopiert und besitzt die größte Erfahrung in der Anwendung des Motuul.«
»Keiner kann sich das vorstellen«, warf Orghoriet ein, nach Baikwietel der Ranghöchste der Andromeda-Delegation. »Leider haben weder Cloibnitzer noch seine Begleiter etwas darüber gesagt, unter welchen Umständen sie die Chrumruch kopierten. Deshalb stehen wir vor einem Rätsel.«
»Wie kam es dazu?« Ytter deutete auf die erstarrten Insektengestalten.
»Alle stürzten gleichzeitig zu Boden«, antwortete Baikwietel. »Wir kümmerten uns sofort um sie, aber sie waren starr und steif, obwohl ihre Körpertemperatur nicht absank, sondern sich sogar erhöhte. Alle Versuche, sie aus ihrer Starre zu reißen, schlugen fehl.«
»Sie befinden sich in einer Metamorphose«, stellte Ytter fest.
»Ich hörte einmal, wie sie über eine Metamorphose sprachen«, warf Nohr ein, der Sprecher der Delegation aus M 33, der die Gestalt eines Posbis angenommen hatte – wie seine Begleiter auch. »Cloibnitzer und Kubvergion nannten die CHCHAN-PCHUR ein Tempelschiff und redeten miteinander darüber, dass sich Auserwählte an Bord dieses Tempelschiffs befunden hatten. Dabei sagte Kubvergion, er wäre das Risiko niemals eingegangen, wenn sie aus dem Wissen der Auserwählten nicht erfahren hätten, dass bis zur Letzten Metamorphose noch fast hundert Umläufe verstreichen würden.«
»Das ist hochinteressant«, bemerkte Baikwietel. »Es scheint darauf hinzuweisen, dass Cloibnitzer und seine Begleiter das Risiko eingingen, ihre Struktur so zu verformen, dass sie den biologischen Gesetzen des fremdartigen
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