Silberband 100 - BARDIOC
Er hob resignierend die Hände. »So schnell ändern sich die Ansichten, sogar die einer ehemaligen Superintelligenz. Abgesehen davon fehlt uns die Zeit. Vielleicht könnten wir Bardioc retten, wenn wir vier oder fünf Wochen intensiv an dem Problem arbeiten, auf einen oder zwei Tage gesehen ist es hoffnungslos für uns.«
Als Joscan Hellmut den Antigravschacht in der Nähe von SENECAs Beta-Zentrale verließ, traten fünf Männer auf ihn zu. Ihre Gesichter hatten sie mit Tüchern verhüllt, und sie richteten Kombistrahler auf ihn. Einer von ihnen entriss dem Kybernetiker das Kombiarmband, sodass er keinen Alarm geben konnte.
»Was soll denn der Unsinn?«, fragte Hellmut, als er sich von seinem Schrecken erholt hatte. »Das führt doch zu nichts.«
»Wir werden sehen …«, antwortete einer der Männer. »Geh weiter!« Er riss den Kybernetiker an der Schulter herum, stieß ihm den Strahler in den Rücken und schob ihn in Richtung der Beta-Zentrale.
»Was wollt ihr von mir?«
»Wir wollen wissen, was SENECA sagt.«
Hellmut blieb stehen. Er war noch etwa zehn Schritte vom Panzerschott der Beta-Zentrale entfernt. »Ihr glaubt wirklich, dass ihr mich dazu zwingen könnt, euch in die Beta-Zentrale mitzunehmen und SENECA zu befragen?«
»Davon sind wir überzeugt. Wenn es um Leben oder Tod geht, sehen die Entscheidungen anders aus als sonst.«
Joscan Hellmut schüttelte den Kopf. »Sie werden Ihr Gewissen nicht mit einem Mord belasten.«
»Sind Sie da so sicher?« Der SOL-Geborene hob den Kombistrahler. Das flirrende Abstrahlfeld ließ Hellmut blass werden.
»Für unser Gemeinschaftswesen ist der Einzelne unbedeutend. Als Kybernetiker haben Sie sich mit der Pathologie von Regelsystemen befasst. Daher sollten Sie wissen, was zu geschehen hat, wenn ein biologisches Regelsystem fehlfunktioniert.«
»Reden Sie keinen Unsinn!«, schnaubte Hellmut. »Hier geht es nicht um Kybernetik, sondern um die Tatsache, dass SENECA Sie nicht in die Beta-Zentrale lassen wird, auch dann nicht, wenn ich Sie führe.«
Der Mann ignorierte den Einwand.
»Ihr Verhalten ist neurotisch«, warf er dem Kybernetiker vor. »Vergegenwärtigen Sie sich folgende Situation, dann begreifen Sie hoffentlich auch, wie es um Sie steht: Sie gehen durch das Schiff. Jemand kommt Ihnen entgegen. In dem Maß, wie sich der Abstand zwischen Ihnen und dem anderen verringert, wird Ihnen und ihm deutlich, dass sie drauf und dran sind, zusammenzustoßen. Jeder weicht deshalb aus, und es kommt häufig vor, dass beide nach derselben Seite ausweichen. Jeder korrigiert daher diese Bewegung in der entgegengesetzten Richtung. Der Abstand verringert sich immer mehr, und der Vorgang der Korrektur und der Gegenkorrektur setzt sich so lange fort, bis sich beide von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen.«
»Was soll das?«
»Ich spreche von einer unzureichenden Konstruktion der Rückkopplung. Sie ist in Ihrem Fall fraglos die Folge einer beginnenden Neurose. Als Kybernetiker sollten Sie wissen, was daraus zu folgern ist.«
»Die Empfindlichkeit des Systems muss verbessert werden.«
»Bravo. Es gibt zwei Möglichkeiten, sich einzustellen. Sie können nachgeben oder Sie sterben. Sie sind unserer Bewegung im Weg. Wir sind zusammengeprallt, weil Sie im Regelsystem unserer kybernetischen Einheit SOL, SENECA und Besatzung nicht richtig reagiert haben. Oder wollen Sie behaupten, dass das Gemeinschaftswesen Superintelligenz keine kybernetische Einheit ist?«
»Sie ist eine kybernetische Einheit«, bestätigte Hellmut, fügte aber einschränkend hinzu: »Die SOL mit ihrer gesamten Ausrüstung und ihrer Besatzung ist aber auch dann ein geschlossenes Regelsystem, wenn man in ihr keine Superintelligenz sieht.«
»Das sehen wir nun mal in ihr, daran ändert sich nichts. Entscheiden Sie sich! Sie wissen jetzt, dass es moralische Bedenken für uns nicht geben kann.«
Endlich begriff Hellmut, was sein Gegenüber wirklich meinte. Der Mann verschanzte sich hinter einem Schwall kybernetischer Begriffe, um damit seine eigenen Hemmungen zu beseitigen.
Er würde töten. Daran zweifelte Hellmut nicht mehr.
Joscan blickte auf das Schott der Beta-Zentrale. Von hier aus konnte SENECA befragt werden, wenn es um Dinge ging, die nicht der Geheimhaltung unterlagen. Andernfalls antwortete die Hyperinpotronik nur autorisierten Personen, die zudem den Sperrgürtel zur Alpha-Zentrale durchschreiten mussten.
Eine Stellungnahme des Großrechners zu Gavro Yaal und seinen Ideen war natürlich in
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