Silberband 101 - Eiswind der Zeit
und in einer falschen Zeit.
Während der Lare sich innerlich darauf vorbereitete, alle seine heimlichen Vorhaben zu begraben, lauschte Harno mit äußerster Konzentration in die Ewigkeit hinaus. Die Verbindung mit Adams-Toufry war nur schwach und kurz gewesen. Seitdem versuchte Harno verzweifelt, den Kontakt wiederzufinden. Adams war ebenfalls auf der Erde eingetroffen und hatte somit die weite Entfernung, die zwischen Mugnam und Sol lag, überwunden. Aber die Zeitebene stimmte nicht.
Harno konnte sich nicht entsinnen, jemals so hilflos gewesen zu sein. Er fühlte sich von Stunde zu Stunde schwächer werden, als würde seine Energie ›abgesaugt‹, und er konnte nichts dagegen tun. Die künstliche Sonne in der Ruhekabine brannte trotz der übrigen technischen Ausfälle, sie ersetzte zum Glück einen kleinen Teil der lebensnotwendigen Energien.
Dann hatte Harno plötzlich wieder Kontakt, wenn auch nur vorübergehend. Leider konnte er nicht feststellen, ob er mit Hotrenor-Taak und der GORSELL in die Vergangenheit stürzte, oder ob Adams-Toufry in die Zukunft vordrang. Die Landschaft veränderte sich, wurde in Nebel gehüllt und verschwand. Das Schiff schien in einem milchigen Nichts zu schweben, dem jeder Anhaltspunkt fehlte.
Betty Toufry! Wo seid ihr?
Keine Antwort.
Hotrenor-Taak kam in die Kabine gestürzt. »Was ist das, Harno? Ich habe keine Schaltungen eingeleitet, dennoch war mir, als sei das Schiff gestartet.«
Wir kehren zum Ausgangspunkt zurück. Ich glaube, wir haben gesehen, was wir sehen sollten. Der Auftrag ist erfüllt.
»Welcher Auftrag? Von wem? Ich verstehe überhaupt nichts …«
Warte! Ich bin schwach und erschöpft.
Hotrenor-Taak ließ sich in den Sessel fallen und streckte die Beine aus. Das Schiff brauchte seine Fürsorge nicht, eine unbegreifliche Macht steuerte es durch die Zeit. Zurück nach Mugnammor, wenn Harno recht behielt.
Das Außenschott der GORSELL ließ sich leicht öffnen. Noch einmal zögerte Adams-Toufry, aber dann betrat er entschlossen die Schleuse, durchquerte sie und erreichte den Hauptgang.
Ich kann Harno schwach empfangen, meldete die Mutantin.
Adams blieb stehen, als er die Schwelle zu der Ruhekabine überschritt und Harno erblickte. Das Energiewesen schimmerte milchigweiß im Schein der Deckenlampe. Hotrenor-Taak kauerte schlafend oder bewusstlos in einem Sessel.
Harno gab ebenfalls keine Antwort, als er angesprochen wurde, doch auf seiner Oberfläche wurden Konturen sichtbar. Eine Landschaft entstand, die Adams-Toufry sofort bekannt vorkam. Kreta …? Menschen bewegten sich, aber sie sahen anders aus als jene negroiden Eingeborenen, die um das Feuer tanzten. Den gewaltigen Tempel glaubte Adams-Toufry für wenige Sekunden gesehen zu haben, als sie in die Zukunft stürzten. Nun blieb er unverändert. Männer und Frauen in weißen Gewändern strömten auf den Tempel zu. Zwischen den Säulen hindurch erkannte Adams ein Podium, auf dem eine wunderschöne Frau stand, in ein bodenlanges Kleid gehüllt. Vor ihr lagen Opfergaben. Monotoner Gesang erklang, dazwischen offenbar Gebete und einzelne Rufe.
Es schien, dass Harno seine ganze Energie für diese Darstellung aufwendete, denn er gab keine mentale Erklärung ab.
Adams-Toufry glaubte, manchmal Worte verstehen zu können, die sich wiederholten. »Demeter!«, hörte er, aber er musste sich irren. Die Frau auf dem Podest konnte unmöglich Demeter sein, die Göttin der Fruchtbarkeit …
Das Bild erlosch. Dafür kamen Harnos Gedanken klar und deutlich, während er zu schrumpfen anfing, bis er nur noch so groß wie eine Männerfaust war. Demeter! Sie ist Demeter!
»Also doch? Harno, was hat das alles zu bedeuten? Die Zeitreise, Kreta …«
Meine Kräfte schwinden wieder. Demeter und Kreta auf Terra – alles hat einen Zusammenhang. Bald wird etwas geschehen, das Klarheit bringt, und es wird auf der Erde geschehen.
»Wer oder was steckt dahinter? Wer ermöglichte die Zeitreise?«
Ich weiß es nicht … bringt mich nach Terra … Schon die letzten Gedankenfetzen waren nahezu unverständlich. Dann erloschen sie endgültig.
Adams versuchte sich zu erinnern. Für die Griechen stellte Demeter die Göttin des Ackerbaus dar. Cronus und Rhea sollten ihre Eltern gewesen sein, und Zeus war angeblich ihr Bruder, mit dem sie ihre Tochter Persephone zeugte.
Gut und schön, aber was sollte das mit der Gegenwart zu tun haben? Wer, bei all diesen Göttern und Halbgöttern, sollte ein Interesse daran haben, eine längst
Weitere Kostenlose Bücher