Silberband 102 - Aufbruch der Basis
Irmina Kotschistowa wurde im letzten Moment daran gehindert, sich auf ihre wirkungsvollste Waffe zu konzentrieren. Und das war möglicherweise der einzig glückliche Zufall bei diesem Unternehmen.
Bark Mun-Yang und Frank Sadorow erreichten den See gerade noch vor Einbruch der Dunkelheit. Im schwindenden Licht erkannten sie verbrannte Schneisen, die das Pflanzendickicht durchschnitten.
Sie hatten keinen Funkkontakt mehr gehabt, denn Carwal fürchtete, dass Kotschistowa die Gruppe anpeilen würde. Die Mutantin schreckte offensichtlich vor nichts mehr zurück. Aus demselben Grund wagten es die beiden Männer nicht, die anderen zur Kontaktaufnahme aufzufordern.
»Wir müssen Irmina nach draußen locken«, murmelte Sadorow besorgt.
»Schön und gut, aber wie?«
»Wenn wir wüssten, was überhaupt in sie gefahren ist, könnten wir uns darauf einstellen.«
»Sie will kämpfen, weil sie uns für Verräter hält. Vor allem scheint sie unseren Auftrag vergessen zu haben und stuft auch die fremden Schiffe als Gegner ein. Offenbar fühlt sie sich als Einzelgängerin. Wir sollten ihr Verbündete beschaffen.«
Sadorow überlegte kurz, dann nickte er zufrieden. »Hoffentlich hat sie uns noch nicht bemerkt. Wir sollten nicht zu nahe am Schiff beginnen, sonst wird sie misstrauisch.«
Beide Männer zogen sich so schnell wie möglich vom Seeufer zurück. Erst in einiger Entfernung hielten sie inne.
»Das dürfte reichen.« Sadorow wartete, bis auch Mun-Yang seine Vorbereitungen abgeschlossen hatte. Irmina Kotschistowa musste Gelegenheit bekommen, ihr Gespräch mitzuhören.
»Sadorow hier. Jörn, wo finden wir euch?«
»Seid ihr ver …«
Ein grelles Fauchen verschluckte den Rest der Frage. Mun-Yang sah das grelle Aufblitzen im Dickicht. Er hatte nicht erwartet, dass Kotschistowa so schnell und brutal reagierte. Sein Vorhaben kam ihm nicht mehr so großartig vor wie eben noch. Aber ihm blieb gar nichts anderes mehr übrig, als darauf zu hoffen, dass alles gut ging.
»Aufhören, Irmina!«, schrie er. »Wenn du die Leute umbringst, kommen wir nie mehr von hier weg!«
»Bist du das, Bark?«
»Wer denn sonst? Pass auf, wir müssen sie in die Zange …«
»Hundesohn!«, brüllte Sadorow und schoss ins Leere. Auch Bark gab mehrere Schüsse ab, ehe er den Paralysator auslöste. Sadorow verstummte.
»Beinahe hätte er mich erwischt.« Mun-Yang keuchte. »Wer ist noch bei dir?«
»Niemand. War das eben Sadorow?«
»Ja, leider. Der Kerl hat mich ganz schön hereingelegt. Er behauptete, mir helfen zu wollen. Ein Glück, dass er sich schon verraten hat. Pass jetzt gut auf, es ist wichtig! Die anderen wissen, wie wir die Space-Jet wieder in die Luft bekommen, aber jeder kennt nur einen Teil des Geheimnisses. Darum brauchen wir sie lebend.«
»Woher weißt du das?«, fragte Irmina misstrauisch.
»Nach dem ersten Funkkontakt habe ich das Spiel durchschaut. Ich tat so, als würde ich mich den Meuterern anschließen. Sadorow war nicht sehr vorsichtig. Vielleicht wollte er auch nur verhindern, dass ich auf dumme Gedanken kam.«
Natürlich hörten auch die anderen jedes Wort, und gerade jetzt verlor der Pilot der BALTHUS die Geduld. Der Kosmopsychologe hätte ihm den Hals umdrehen mögen.
»Das ist eine unverschämte Lüge!«, schrie Carwal außer sich vor Wut. »Wozu haben Sie sich diese Geschichte ausgedacht, Mun-Yang? Wir sind keine Meuterer …«
»Halten Sie den Mund!«, befahl der Hundertjährige eisig. Besorgt schauten er und Sadorow sich an, aber die Mutantin schien den Köder trotzdem geschluckt zu haben. Jedenfalls schwieg das Bordgeschütz wieder.
»Sie dreckiger …«
Mun-Yang schoss ungezielt mit dem Paralysator in die Gegend und hoffte, dass er Carwal nicht durch einen dummen Zufall wirklich traf.
Er hatte keine Ahnung, wie weit sie tatsächlich voneinander entfernt waren. Carwal schwieg jedenfalls.
»Irmina?«, fragte der Kosmopsychologe vorsichtig.
»Die Bastarde versuchen, uns zu entwischen«, gab die Mutantin wütend zurück. »Du musst sie aufhalten. Ich habe euch alle prima auf den Schirmen.«
Mun-Yang bekam fast einen Anfall, als er bei diesen Worten Sadorow sah, der aufrecht dastand und nach allen Seiten sicherte. Sadorow erstarrte mitten in der Bewegung.
»Gib mir die Richtung an!«, drängte Bark schnell und hoffte nur, dass Irmina nichts gemerkt hatte. Wenn sie erst das Schiff verlassen hatte, konnte kaum noch etwas schiefgehen – vorausgesetzt, Sadorow fand die anderen schnell genug und konnte
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