Silberband 102 - Aufbruch der Basis
Möglichkeit, dem alten Mann die Wahrheit zu verschweigen.
»Warum bleibst du sitzen?«, fragte Torboros, nun schon ungeduldig. »Die nächste Sprechzelle …«
Da sah er Sternfeuers Beine. Sie waren kleiner geworden, kürzer und dünner, und ihre Haut wirkte wie verbrannt.
»Es tut nicht weh«, schluchzte das Mädchen. »Es tut wirklich nicht weh. Aber ich kann mich nicht mehr bewegen!«
Das Wesen, das fast den gesamten Planeten umspannte, war uralt. Und es war vermutlich einzigartig im Universum. Es hatte sich nicht aus irgendetwas entwickelt, sondern war spontan zur gleichen Zeit entstanden, als alles Leben auf Test II seinen Anfang nahm. Und es hatte vom ersten Augenblick an eine Eigenart, die es von allen anderen Lebensformen, die sich später hier entwickeln sollten, unterschied: Es sandte Psionen aus.
Das Wesen selbst war sich seiner Besonderheit in keiner Weise bewusst – es reagierte ohnehin nur instinktgerichtet auf Reize. Die Art dieser Reize und der dadurch hervorgerufenen Reaktionen hatte sich seit seiner Entstehung kaum verändert. Es ging nur darum, zu überleben, zu wachsen und sich selbst zu reproduzieren, um die eigene Existenz über jede Katastrophe, die unweigerlich im Laufe der Zeit den Planeten heimsuchte, hinwegzuretten.
Das Wesen bestand aus dünnen, blassen Fäden, die – zusammengenommen – viele Millionen Kilometer lang waren. Es lebte im Boden und breitete sich wie ein lockeres Myzel nach allen Seiten aus. Es brauchte zu seinem Gedeihen lediglich Wasser und einige Mineralien. Je reicher sich alles andere Leben auf Test II entwickelte, desto lockerer wurde der Boden und desto mehr Feuchtigkeit gelangte sowohl in die Tiefe als auch an die Oberfläche. In Gegenden, die bis dahin für den Psionen-Strahler zu trocken gewesen waren, bohrten sich kräftige Wurzeln bis an tiefe, Wasser führende Schichten hinab. Dort existierten die blassen Fäden nach Schmarotzerart, indem sie die Wurzeln anzapften. An anderen Stellen machten sie sich unterschiedliche Lebensformen zunutze, indem sie die zum weiteren Wachstum nötigen Mineralien deren leicht aufspaltbaren Ausscheidungen entzogen. Bei alldem gefährdete der Psionen-Strahler jedoch niemals anderes Leben in dessen Existenz.
Dieses Wesen störte niemanden und wurde auch nicht gestört, es sei denn, ein Lavastrom verbrannte den Boden oder ein anderes Naturereignis zerstörte einen kleinen Teil seiner Fäden. Da jede Zelle den übrigen ebenbürtig war, bildeten solche Vorfälle keine besondere Gefahr. Kein Abschnitt dieses Wesens hatte jemals Tendenzen zur Entwicklung von Bewusstsein oder gar Intelligenz gezeigt. Bescheiden und praktisch unsichtbar durchzog es den Boden seiner Welt. Und dabei sandte es Psionen aus.
Die Tiere und Pflanzen nahmen diese Strahlung überhaupt nicht wahr. ›Normale‹ Menschen hätten sich ihr Leben lang auf dem Planeten aufhalten können, ohne jemals auf die Idee zu kommen, dass es etwas Ungewöhnliches gab, denn ein ›normales‹ Gehirn konnte diese Strahlung nicht verarbeiten. Psionen bewegen sich schneller als das Licht. Sie gehören dem Hyperraum an.
Nicht nur das Wesen auf Test II emittierte Psionen. Nahezu jedes höher entwickelte organische Gehirn erzeugt diese Teilchen. Aber nur selten findet man jemanden, der etwas mit derartigen Sendungen anfangen kann. Solche seltenen Ausnahmen sind die Mutanten.
Irmina Kotschistowa war keine Telepathin. Als solche hätte sie vielleicht sogar erkannt, woher die Impulse stammten, und dann wäre vieles anders gekommen. So jedoch brachten die überreichlich aufgefangenen Psionen sie nur restlos durcheinander, und sie verlor vorübergehend ihre speziellen Fähigkeiten. Mehr noch – das Ganze wurde vielfach verstärkt und wirkte sich bis zur SOL hin aus. Zum Glück waren – wie bei fast allen parapsychischen Phänomenen – nur bestimmte Personen davon betroffen. In diesem Fall beschränkte sich der ›Kontakt‹ auf Irminas Patienten Torboros und auf das Mädchen Sternfeuer.
Merkwürdig daran war, dass die Metabio-Gruppiererin auf die Lebewesen in ihrer direkten Umgebung keinen Einfluss mehr auszuüben vermochte, andererseits aber die beiden Menschen in der SOL in arge Bedrängnis brachte. Vielleicht wären Sternfeuer und Torboros von Irminas Einfluss befreit worden, wenn die Mutantin bewusst versucht hätte, die Mitglieder ihrer Einsatzgruppe zu beeinflussen. Ebenso gut hätte ein solcher Versuch aber zur Katastrophe führen können.
Wie dem auch sei –
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