Silberband 103 - Facetten der Ewigkeit
sie hatten ungemein muskulöse, wenn auch kurze Arme und Beine, je zwei große schwarze Warzen auf der Schädeldecke und Furcht einflößend stierende Augen.
Noch während Hassan hinsah, bohrten die Schreckenskinder dolchartige Fingerkrallen in die Nacken der Molekülverformer, die davon nichts zu spüren schienen. Hassan schrie jedoch entsetzt auf.
Die hässlichen Köpfe fuhren ruckartig herum, die Lippen verzogen sich und ließen die übergroßen Zähne noch besser sehen. Als sie Hassan erblickten, funkelten ihre Augen mordlüstern.
Von Panik gepackt, stieß sich der Junge am Rand des Belüftungsschachts ab und warf sich herum. Er glitt immer wieder zurück, als er eine Steigung hinaufhastete, aber schließlich schaffte er es doch. Hinter sich hörte er zorniges Kreischen und das Poltern von Schritten. Das trieb ihn noch mehr zur Eile an. Er kroch durch zahllose Windungen und geriet in ein steil abfallendes Rohr. Erst als er stürzte, fiel die Panik von ihm ab, doch da war es schon zu spät.
Hassan fiel ungefähr vierzig Meter tief, wurde von einer Biegung leicht abgebremst, schoss aber mit immer noch hoher Geschwindigkeit auf das nächste Gitter zu. Krachend flog er mitsamt dem Rahmen durch einen Raum, in dem ein bewaffneter Molekülverformer Wache hielt.
Es krachte ein zweites Mal, als Gitterrost und Hassan gegen den Gys-Voolbeerah prallten. Die Ghurianergestalt taumelte rückwärts. Hassan sah, dass der Molekülverformer zwischen zwei große summende Spulen geraten würde. Er konnte aber nichts tun, denn er schlug in dem Moment auf und rollte sich nach vorn ab.
Als er auf die Füße kam, war der Molekülverformer schon nicht mehr als Ghurianer zu erkennen. Zwischen den Spulen überspringende Energien hatten ihn förmlich zerfetzt. Hassans Magen revoltierte, als er sah, dass die breiige Masse sich langsam wieder vereinigte, um vielleicht nach Stunden erneut zu einer funktionierenden Gestalt zu werden.
Nachdem er begriffen hatte, dass der Molekülverformer noch lebte, beruhigte sich sein Magen. Hassan schaute sich um. Er befand sich auf einer Galerie, der Raum unter ihm war in ein rötliches Glühen getaucht. Zylinderförmige Auswüchse an den Wänden waren allesamt auf den geometrischen Schwerpunkt dieses Raumes ausgerichtet.
Hassan musste lange hinsehen, um inmitten der flackernden Verzerrungen rings um den Mittelpunkt des Raumes den winzigen schwarzen Punkt zu entdecken, ein dimensionsloses Nichts.
Er hatte noch keine Elementarteilchenphysik gelernt und konnte deshalb nicht viel mit dem anfangen, was er sah. Doch zumindest ahnte er, dass das scheinbare Nichts das energetische Herz dieses Schiffes sein könnte, etwas, in dem die Trümmer von Atomen so dicht gepackt waren, dass dieser winzige Punkt Tausende Tonnen wog.
Hassans Augen funkelten.
Wahrscheinlich hatten die beiden Schreckenskinder seine Spur verloren. Das bedeutete Zeit für ihn, das Herz des Raumschiffs unbrauchbar zu machen ...
25.
Tobo Hron-Kmela sah schweigend zu, wie das Transportschiff GESINE III beladen wurde. Er nahm den Eindruck des Sonnenuntergangs auf dem Mars in sich auf, denn er ahnte, dass er nie wieder zum vierten Planeten des Solsystems zurückkehren würde. Der Energiespeicher des Nullphasentasters war während der letzten Sendung mit einem kalten Glühen ausgebrannt. Das Gerät konnte niemals wieder verwendet werden - und niemand würde sein Geheimnis enträtseln.
Die Kuppeln des interstellaren Umschlagplatzes leuchteten in einem milden rötlichen Goldton, als Sol unterging. »Die Passagiere der GESINE bitte sofort an Bord kommen!«, schallte eine Durchsage über diesen Teil von Marsport.
Tobo schulterte seinen Gepäcksack und schritt auf die von Tiefstrahlern erleuchtete Rampe des Kugelraumschiffs zu. Als er bemerkte, dass nach ihm noch jemand kam, wandte er sich um. Er sah eine junge Frau, hinter ihr zwei Techniker, die möglicherweise ihren Urlaub auf der Erde verbringen wollten, und einen alten Mann, der mit sich selbst redete.
Tobo ging weiter. An der Schleuse stand der Erste Offizier, ein schweigsamer Mann, der jeden Passagier begrüßte, indem er die Hand ans Mützenschild legte.
Nachdem Tobo sein Gepäck in der ihm zugewiesenen Kabine untergestellt hatte, ging er in den Funkraum. Er nickte der Funkerin zu. »Ich möchte einen Hyperkomspruch zur Erde durchgeben, Maria«, sagte er.
»Nach dem Start, Tobo«, erwiderte die Frau. »Vor zwei Stunden wurde offiziell Alarmstufe Beta auch für die zivile Raumfahrt
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