Silberband 108 - Grenze im Nichts
außerordentlich beweglich war. Pankha-Skrin brauchte also nicht zu befürchten, dass er den Raumfahrer verletzte.
Nach einigen Anstrengungen gelang es ihm, das Geschöpf auf die Beine zu stellen. Er musste es stützen.
Der zweite Fremde versuchte, sich aus eigener Kraft zu erheben. Pankha-Skrin bedauerte, dass er nur einem helfen konnte. Nach einer Weile gelangen seinem Schützling die ersten unbeholfenen Schritte. Der Quellmeister spürte, dass das auf seinen Schultern lastende Gewicht nachließ; der Fremde war wieder in der Lage, die eigenen Beine zu benutzen. Pankha-Skrin schleppte ihn über eine kurze Strecke, denn Bewegung war nach der Paralyse die beste Therapie.
Umso verblüffter war der Quellmeister, dass das Wesen, kaum dass es seine Arme richtig gebrauchen konnte, in eine Tasche griff und einen Gegenstand herauszog; der vermutlich eine Waffe war.
Pankha-Skrin erstarrte.
Nachdem Kreyn festgestellt hatte, dass alle anderen Räume im neuen Trakt leer waren, befahl ihm Cerveraux, Lorvorcs Grabmal anzufliegen. Gleichzeitig gab der ehemalige Bauarbeiter Proy die Anweisung, den Widerstand gegen den ausgebrochenen Gefangenen aufzugeben. Proy hatte einen Fehler begangen, aber Cerveraux wollte nicht, dass das Tochtersystem seine Existenz aufs Spiel setzte. Im Augenblick drohte von den Gefangenen keine Gefahr. Sie saßen im oberen Raum des zweiten Turmes fest. Cerveraux würde sich ihrer wieder annehmen, sobald er herausgefunden hatte, was in Lorvorcs letzter Ruhestätte geschah.
Die Maschine, die Kreyn entdeckt hatte, war vermutlich von Robotern an ihren neuen Standort gebracht worden. Diese Roboter hatten in konservierter Form im Grab des Mächtigen auf ihre Aktivierung durch eine Spätprogrammierung gewartet.
So weit ließen sich die Vorgänge einigermaßen rekonstruieren, wenngleich damit längst nicht die Frage nach dem Warum beantwortet war. Was war das Ziel dieser Automaten? Dass Zusammenhänge mit seiner eigenen Metamorphose bestanden, erschien Cerveraux immer wahrscheinlicher.
Sollte Lorvorc wirklich von der Existenz des Bauarbeiters gewusst haben, war denkbar, dass er mithilfe von Robotern späte Rache an ihm nehmen wollte.
Rache wofür?, fragte sich Cerveraux. Er hatte sich nichts zuschulden kommen lassen, außer heimlich in diesem Bauwerk zu wohnen. Das war für Lorvorc womöglich schon Grund genug gewesen. Aber hätte ein solches Verhalten wirklich der Mentalität des Mächtigen entsprochen?, fragte sich Cerveraux. Die Antwort konnte nur ›nein‹ lauten. Viel wahrscheinlicher war, dass Lorvorc dem heimlichen Mitbewohner hatte Hilfestellung leisten wollen – über einen unermesslich langen Zeitraum hinweg. Dabei musste etwas schiefgegangen sein, denn die derzeitige Entwicklung bedeutete eher eine Gefahr für Cerveraux. Er empfand plötzlich Groll gegen die fremden Raumfahrer, weil denkbar war, dass ihr Erscheinen einen erst für später vorgesehenen Rettungsvorgang eingeleitet hatte.
Seine Gedanken wurden unterbrochen, denn in seinem Innern kam erneut etwas in Bewegung. Er wunderte sich darüber, dass er Teile seines Körpers offenbar nicht mehr unter Kontrolle hatte. Das war vermutlich ein Teil der Metamorphose.
Cerveraux stieß ein hämisches Kichern aus. Wenn sich tatsächlich eine Art neue Zustandsform in ihm regte, war sie genauso in der harten Panzerung gefangen wie sein ursprünglicher Körper. Cerveraux lauschte angestrengt in sich hinein, gleichzeitig besann er sich auf die dringlichen Aufgaben in seiner Umgebung. Er starrte auf die Schirme. Der ausgebrochene Gefangene war mit den gelähmten Raumfahrern beschäftigt; Proy lag am Boden und rührte sich nicht mehr; Geurly folgte dem kleinen Eindringling, der seinerseits hinter Kreyn her war.
Kreyn befand sich noch einige hundert Meter von Lorvorcs letzter Ruhestätte entfernt. Die Scheinwerfer des Flugkörpers, in dem das Tochtersystem steckte, erhellten zusammen mit dem Licht von den Türmen das gewaltige Trümmerfeld. Weit voraus war eine kompakte Masse zu erkennen: Lorvorcs Grab.
Cerveraux wünschte, er hätte früher den Mut gefunden, sich dort umzusehen oder den Ablegern einen entsprechenden Befehl zu erteilen. Er wusste nur, wie das Grab von außen aussah – und das war alles andere als interessant. Es gab lediglich glatt zusammengefügte Wände. Auf einer Seite des Komplexes befand sich ein großes rechteckiges Tor, von dem Cerveraux annahm, dass es sich um eine Schleuse handelte. Es gab keinerlei Vorrichtungen, sie von
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