Silberband 112 - Die Energiejäger
seine Blicke über die Fassaden gleiten. In seiner Nähe ragte ein kleiner Turm auf. Er hatte keine sichtbaren Öffnungen und schien aus einem Stück gefertigt zu sein, wie eine aus Stahl gegossene Säule.
Der Maskenträger spürte, dass das Cappinfragment unruhig wurde. Also waren Puppen in der Nähe.
Einer Eingebung folgend, nahm er die Maske vom Gesicht und befestigte sie an seinem Gürtel. Allerdings war er nicht sicher, ob das Cappinfragment auf die Puppen überhaupt wirken würde. Diese künstlichen Geschöpfe besaßen keine organischen Sinne wie ein Mensch. Womöglich reagierten sie auf den Anblick des Organklumpens überhaupt nicht.
»Ich weiß, dass ihr mich beobachtet!«, rief Saedelaere. »Warum kommt ihr nicht heraus?« Seine Stimme hallte durch die Straßen, brach sich an den Fassaden der Gebäude und fand ein Echo in den zahlreichen Seitengassen und Torbögen.
Er erschrak vom Lärm der eigenen Stimme. Als weiter alles ruhig blieb, wurde er von wilder Wut gepackt, und er stürmte in eines der Häuser. Der Helmscheinwerfer huschte durch verlassene Räume. Entweder hielt sich wirklich niemand in dem Haus auf, oder die Bewohner hatten sich so geschickt versteckt, dass Saedelaere sie nicht sehen konnte. Niedergeschlagen trat er wieder ins Freie. Er fühlte sich wie ein Kind, das einen dunklen Wald hinter sich lässt und sich fragt, woher seine Furcht wirklich kommt. Wahrscheinlich war es so, dass die Puppen ihn fürchteten. Er war ihnen in jeder Beziehung überlegen.
Von zwiespältigen Gedanken beherrscht, eilte er weiter in Richtung des Zentrums.
Wie aus dem Boden gewachsen stand plötzlich wenige Schritte vor ihm eine Puppe. Er hatte sie weder aus einer Nebengasse noch aus einem der Häuser herauskommen sehen. Saedelaere blinzelte verwirrt. Doch die Puppe war keine Halluzination. Sie stand da, als habe sie auf ihn gewartet. Ihr Gesicht war stark ausgeprägt und erinnerte ihn an die Physiognomie von Ganerc-Callibso, wenn es auch nicht so alt aussah.
Dieses Ding blickt genau in mein Cappinfragment!, erkannte er.
Der Transmittergeschädigte blieb stehen. Dass jemand beim Anblick des Cappinfragments stillhielt und nicht sehr schnell den Verstand verlor, war für ihn neu. Er griff sich ins Gesicht, um festzustellen, ob der Gewebeklumpen überhaupt noch vorhanden war. Als er die weiche, zuckende Substanz fühlte, atmete er unwillkürlich auf.
War er verrückt geworden?, fragte er sich bestürzt. Hatte er sich schon so sehr an dieses Ding gewöhnt, dass er es vermisst hätte, wenn es verschwunden wäre?
Die Puppe schien ihn zu beobachten. Wahrscheinlich überlegte sie, was seine seltsame Reaktion zu bedeuten hatte.
»Fremder«, sagte die Puppe in der Sprache der Mächtigen. »Es wäre klug von dir, dich jetzt zu ergeben.«
Seinem Instinkt gehorchend, drehte Saedelaere sich langsam um. Sein Blick wurde starr, als er am anderen Ende der Straße zahllose Puppen sah, eine Mauer aus Puppen, die langsam näher rückten.
Er hob den Impulsstrahler und feuerte einen Warnschuss über die Köpfe der Puppen hinweg ab. Was er nicht erhofft hatte, geschah: Die Phalanx der zwergenhaften Körper kam zum Stillstand.
Er zielte nun auf die Puppe vor ihm. »Geh mir aus dem Weg!«, befahl er. Das Ding stieß ein glucksendes Geräusch aus wie ironisches Lachen.
Saedelaere schoss. Der tödliche Strahl zischte dicht an der Puppe vorbei. Sie stürzte, ohne getroffen zu sein, und krümmte sich am Boden, als sei sie verletzt und empfände Schmerzen. Die Puppen am anderen Ende der Straße bewegten sich wieder, langsam, aber unaufhaltsam. Alaska Saedelaere rannte los, mit einem Sprung setzte er über die am Boden liegende Puppe hinweg ...
... seine Füße fanden keinen Widerstand. Er spürte, dass der Boden unter ihm nachgab.
Eine Falle!, durchzuckte es ihn. Sie haben mich erwischt!
Er schien endlos zu stürzen und fürchtete schon einen tödlichen Aufprall. Hastig versuchte er, den Antigrav einzuschalten. In dem Moment fiel er in eine weiche Masse am Boden der Grube. Seine Erleichterung war nur kurz, denn er spürte, dass die Substanz ihn wie zäher Schleim einhüllte. Er war schon nicht mehr in der Lage, Arme und Beine zu bewegen, denn er versank bis zu den Schultern in diesem Zeug, das ihn nicht losließ. Seine Waffen und die übrige Ausrüstung nützten ihm nichts, denn er konnte sie nicht mehr einsetzen.
Sarkastisch dachte er daran, wie einfach doch die Mittel waren, mit denen man einen perfekt ausgerüsteten
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