Silberband 112 - Die Energiejäger
Gefängnis wurde offenbar gearbeitet.
Der Transmittergeschädigte ergriff den Schemel, stellte ihn unter das Fenster und stieg hinauf. Nun konnte er hinausblicken.
Zweifellos befand sich das Gefängnis in einem der zentralen Sektoren der Stadt, denn er sah unter sich einen freien Platz, in dessen Mittelpunkt einer der großen Türme aufragte. Um den Turm drängten sich Hunderte von Puppen. Das Gewimmel war so dicht, dass es einige Zeit dauerte, bis Saedelaere mehr erkennen konnte. Mit ihren kleinen Händen betasteten die Puppen den Turm. Sie taten es mit einer unbeschreiblichen Gier, als sei die Berührung des Materials für sie ein außerordentliches Erlebnis. Puppen, die in der zweiten Reihe oder noch weiter hinten standen, drängten gewaltsam nach vorn. So entstand der Eindruck eines verbissen geführten Kampfes um die besten Plätze.
Die Puppen, die sich schließlich vom Turm abwandten, bewegten sich schwankend, wie berauscht.
Saedelaere fragte sich erneut, was in diesem Turm sein mochte. Ging von ihm eine Energie aus, die alle Puppen beeinflusste?
In einer Senke unweit des Turmes arbeiteten etliche Puppen an der Herstellung eines Tabletts. Saedelaere hatte einen solchen Gegenstand bereits gesehen: Die zerstörte Puppe war auf einem ähnlichen Tablett getragen worden. Nur war dieses Tablett wesentlich größer. Der Terraner hatte schon eine dumpfe Ahnung, für wen es geschaffen wurde. Er selbst würde in Kürze darauf liegen, falls es ihm nicht gelang, von hier zu entkommen.
Die Puppen wollten ihn opfern.
An einigen Orten gab es Anzeichen für die Vorbereitung einer großen Feierlichkeit. Alaska Saedelaere sah Puppen, die mit den verschiedensten Arbeiten beschäftigt waren. Kein Zweifel: Alle diese Aktivitäten richteten sich gegen ihn. Eine Weile blieb er noch stehen und beobachtete, dann stieg er wieder von dem Schemel herunter.
Wahrscheinlich würden ihn die Puppen töten und auf dem Tablett abtransportieren. Sie erhofften sich davon eine Anreicherung ihrer nur schwachen inneren Kräfte.
Nur wenn es ihm gelang, den Puppen die Sinnlosigkeit ihres Tuns vor Augen zu führen, konnte er sich vielleicht retten. Doch dafür, gestand er sich ein, waren die Chancen gering – noch geringer als die vage Hoffnung, dass Ganerc-Callibso kommen und ihn retten würde.
Draußen unter dem Fenster erklangen Rufe. Saedelaere gewann den Eindruck, dass sie ihm galten. Er nahm den Translator und stieg abermals auf den Schemel.
Er sah die Puppe, auf die er geschossen hatte. Vielleicht nahm sie, da sie dem Zeitlosen so ähnlich war, in der Stadt eine führende Rolle ein. Etwas weiter abseits hielt sich eine zweite Puppe auf. Er hatte den Eindruck, Mardyn zu sehen. Sofort schaute er sich nach der Lichtzelle um, aber der Flugkörper war nirgends zu entdecken. Die Puppen hatten ihn wohl versteckt.
»Lasst mich frei!«, rief Saedelaere. »Wenn ihr mich opfert, wird euch das keinesfalls helfen. Ich kann euch nur beistehen, wenn ich frei bin.«
Die Puppe fixierte ihn wie ein ausgehungertes Raubtier sein Opfer. »Die kommende Nacht wird deine letzte sein«, erklärte sie. »Danach wirst du in uns wohnen.«
»Habt ihr nicht begriffen, dass euch die Opferung anderer Puppen nicht half?«, protestierte der Terraner.
»Du bist keiner von uns, deshalb wirst du in uns wohnen.«
Diese seltsame Logik konnte er nicht widerlegen. Saedelaere verlegte sich aufs Drohen.
»Wenn ich Derogwanien nicht verlassen kann, werden meine Freunde kommen und nach mir suchen. Und sie werden euch bestrafen.«
Die Puppe lachte verächtlich. »Bis deine Freunde kommen, werden wir stark genug sein, jeder Gefahr zu widerstehen. Außerdem wollen wir diese Welt verlassen.«
Saedelaere klammerte sich am Fensterrand fest. »Wie heißt du?«, fragte er.
»Tarmuhl«, antwortete die Puppe.
»Hör mir genau zu, Tarmuhl! Ich bin nicht wie Callibso, das müsstet ihr längst begriffen haben. Wartet wenigstens ein paar Tage mit der Verwirklichung eurer Absichten. Bis dahin müsst ihr Callibso und mir Gelegenheit geben, über euer Problem nachzudenken. Ich bin überzeugt davon, dass wir eine Lösung finden.«
Tarmuhl schüttelte den Kopf. »Morgen früh ist der Zeitpunkt! Finde dich damit ab.«
»Ich will mit Callibso reden.«
»Wir wissen nicht, wo er ist.«
»Dann sucht ihn!«, schrie der Terraner.
»Wozu? Es ist alles entschieden.« Die Puppe wandte sich ab und ging davon.
Saedelaere schaute zum Turm hinüber. Das Gedränge dort erweckte den Eindruck, als
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