Silberband 114 - Die Sporenschiffe
Körper verteilen.« Er wandte sich Maina zu und sagte stolz: »Ich habe meine Bewusstseinsanzahl durch einen Sieg über Karon verdoppelt.«
»Gratuliere«, erwiderte Maina spöttisch, die Fothus' Herausforderung nur entgangen war, weil Karon ihm den Fehdehandschuh hingeworfen hatte.
»Ich bin nicht gewillt, mich barbarischen Sitten anzupassen«, rief der Mann vom Rednerpult. »Wenn wir nach Art der Oskuner leben, finden wir uns bald in der Steinzeit wieder.«
Fothus packte den Sprecher an den Oberarmen und holte ihn vom Pult herunter. »Mein Angebot gilt für jeden von euch!«, verkündete er. »ES braucht keine Großmäuler, sondern Konzepte der Tat. Ich beuge mich jedem, der über mich triumphieren kann, und ich akzeptiere jede Kampfdisziplin. Aber verschont mich mit nichtssagendem Geschwätz. Solange ich unbesiegt hin, bleibe ich der Meinung, dass es uns nur schwächt, wenn wir unsere Bewusstseine auf ebenso viele Körper verteilen.«
Er erntete dafür überraschend starken Applaus und verließ den Kreis wie ein Triumphator.
Ein schwächlicher Ikarier flatterte hinter ihm zum Pult.
»Unsere Methode ist von dem Vorgehen der Oskuner gar nicht so verschieden. Auch wir treffen eine Auslese, wenn wir paarweise zur Sonne emporfliegen und unsere Bewusstseine demjenigen überlassen, der diesen Flug übersteht. Ich wäre bereit, mit dieser Tradition zu brechen – und mit mir viele Ikarier. Aber wer von euch kann uns überzeugen?«
Stille trat ein. Maina sah aus dem Augenwinkel, dass Herkas aufsprang. Aller Blicke wandten sich ihm zu, als er zum Rednerpult ging. Der Ikarier wollte ihm Platz machen, aber der Alte hielt ihn zurück.
»Bleib nur, Bruder«, sagte Herkas. »Du wirst vergeblich darauf warten, dass einer kommt, der dich überzeugend motivieren kann. Leider sind alle ratlos. Und weißt du, warum? Weil ES sie im Stich gelassen hat? Nein, ES trifft keine Schuld daran, denn die Superintelligenz handelte nicht in böser Absicht. ES befindet sich selbst in Not und kann deshalb unsere Bedrängnis nicht lindern. Die Tassuaner meditieren vergeblich. Die Ikarier verbrennen sinnlos in ihrer Sonne, die Oskuner vergeuden ihre Kräfte im Zweikampf. Und wofür rafft Dommerjan Bewusstseine an sich?«
Herkas machte eine Pause und blickte sich herausfordernd um.
»Ich habe versprochen, mich der Entscheidung der Mehrheit zu beugen, aber nur, weil ich wusste, dass keine der herrschenden Strömungen imstande ist, alle Konzepte mitzureißen. In Wahrheit wissen alle, dass wir nichts zum Plan der Vollendung beitragen. Unsere Erleuchtung müsste von ES kommen, doch sie bleibt aus, weil ES nicht hier ist. – Wenn ES nicht zu uns kommt, dann müssen wir zu ES gehen. Es wird Zeit, dass wir uns endlich auf den Weg machen!«
Frenetischer Beifall brandete auf. Herkas verließ siegessicher das Rednerpult. Maina musste zugeben, dass er als Einziger einen konkreten Vorschlag gemacht hatte. Aber bei dem Gedanken, seinen Plan in die Tat umzusetzen, fröstelte sie.
Fast unbemerkt war ein anderer alter Mann ans Rednerpult getreten. Geduldig wartete er, bis wieder Ruhe eintrat, sodass er sich verständlich machen konnte.
»Ich bin Dommerjan«, stellte er sich vor und ließ seinen Blick über die Runde schweifen. »Ich erkenne an euren Reaktionen, dass ich euch nicht unbekannt bin. Ich war ein Fanatiker; ich habe die Hölle des Wahnsinns in mir erlebt und alle seine Stationen von Schizophrenie bis Paranoia mitgemacht. Aber selbst während meiner dunkelsten Periode hätte ich keine solche Wahnsinnstat begangen, wie Herkas sie von euch verlangt. Wir können nicht nachvollziehen, was Ellert/Ashdon damals getan hat, weil wir unter keinen Umständen die Existenz von EDEN II aufs Spiel setzen dürfen. Herkas mag euch viel erzählen, doch ihr dürft nie vergessen, dass er euch eure Bestimmung nicht geben kann. Die muss von ES kommen. Das Warten wird für uns noch zu einer schweren Prüfung werden, aber es ist gewiss sinnvoller, als durch die Unendlichkeit des Universums zu irren. Fragt Herkas, wohin er EDEN II steuern will! Fragt ihn, in welcher Gefahr ES sich befindet! Er soll euch sagen, wie er sich eine Rettungsaktion vorstellt. Erst wenn er glaubhaft machen kann, dass er uns nicht in ein sinnloses Abenteuer stürzt, werden wir mit EDEN II auf seinem Kurs fliegen. Aber das kann Herkas nicht. Und bedenkt noch eines: Vielleicht hat ES das alles so bestimmt, um unsere Geduld und unsere Reife zu prüfen.«
Dommerjans Ausführung folgte
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