Silberfieber
genauso gemütlich war, wie ein Engländer wie McCully sie sich vorgestellt hatte. Der Professor hatte in der Zwischenzeit seine Bücher zugeklappt und betrachtete nun mit touristischem Kennerblick die auf breiter Grundfläche angelegten Bürgerhäuser der Altstadt, die sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe zählte, wie McCully zu berichten wusste. Das Doppelzimmer von Frank und Peter sowie McCullys Einzelzimmer lagen im ersten Stock der Pension Sonne in der Rathausgasse mit Blick zur Straße. Denn von einer verträumten Rathausgasse konnte keine Rede sein. Die Straße zwischen den Bürgerhäusern mit ihren markanten Laubendächern und den seitlichen Fensterläden war so breit, dass sie ohne Weiteres mehrspurig hätte befahren werden können. Vermutlich aber war das nicht mit den denkmalschützerischen Auflagen der UNESCO zu vereinbaren gewesen, deshalb hatten die Berner lieber großzügig mehr als genügend Parkbuchten für den Autoverkehr geschaffen, die rechtwinklig vor den Häusern angelegt waren.
Auch der Name der Pension war irreführend, denn das Wetter in der Schweiz unterschied sich in nichts von dem in London. Nieselregen, vielleicht war es sogar noch eine Spur kälter. Das verlockte selbst den unternehmungslustigen Professor nicht mehr zu seinem angekündigten Abendspaziergang. Zu dritt beendeten sie den Tag mit einem Abendessen in der Pension. Dann ließen sie sich im Zimmer des Professors nieder und besprachen den am nächsten Morgen geplanten Besuch bei Franz Felgendreher. Schon allein wegen der Sprachbarriere würde es Franks Aufgabe sein, den Kontakt zu Felgendreher über den Leiter der Psychiatrischen Abteilung des Johanniter-Spitals, Herrn Dr. Friedrich Dufner, herzustellen und ihn von ihrem Besuchswunsch zu unterrichten. Schließlich wusste keiner von ihnen, wie krank Franz Felgendreher wirklich war. Sie vertrauten im Grunde darauf, dass Professor Pfleiderer ja offenbar in der letzten Woche noch mit ihm gesprochen hatte. Also konnte es so schlimm nicht sein.
Dann riefen sie Michael an und berichteten ihm ihre Pläne. Zwar konnten sie ihm keine neue Aufgabe stellen, aber sie baten ihn darum, sich für den kommenden Tag bereitzuhalten. Je nachdem, was sie von Felgendreher erfahren würden, konnte es sehr gut sein, dass sie auf seine Hilfe angewiesen wären. Einstweilen hatten sie nur eine Art Symbolrätsel für ihn: vier Himmelsrichtungen, vier Farben: rot, schwarz, weiß und beige oder sogar farblos, das war nicht so genau zu sagen, und vier Pfeile in Form eines Mauerwerks auf einer alten Seekarte.
Zu ihrer Überraschung bekamen sie von Michael keine Proteste zu hören. Anders als erwartet, empfand er das neue Rätsel nicht als Zumutung. Es sei sogar wesentlich spannender als die Feststellung der Titanic-Koordinaten, meinte er. Anscheinend hatte Michael richtig Feuer gefangen und versprach, am nächsten Mittag nach ihrer Rückkehr aus dem Johanniter-Spital zur Stelle zu sein. Grund für seinen neu entfachten Eifer war anscheinend ihre Weiterreise nach Bern. Franks Eskapaden, wie Katja die Fortsetzung der Reise bezeichnet hatte, waren Michael mittlerweile hinlänglich bekannt und würden am Ende doch nur dazu führen, dass Frank reumütig, ohne verwertbare Ergebnisse und mit leeren Taschen wieder vor Katjas Tür stand. Aber als er nun erfuhr, dass Frank zusammen mit Peter Adams unterwegs war und sich auch noch in Gesellschaft eines Londoner Professors für Geophysik befand, zeigte er sich zum ersten Mal beeindruckt. Wenn ein echter Wissenschaftler die Suche nach der Schatzkarte so interessant fand, dass er aus eigener Tasche eine Forschungsreise finanzierte, musste an Franks Abenteuer diesmal wirklich etwas dran sein. Das warf auch auf Franks Überfall und ihre Rettungsaktion vom letzten Donnerstagabend ein ganz anderes Licht. Begeistert schloss Michael sich nun dem Abenteurerteam an, das ihn als stationären Recherche-Assistenten auserkoren hatte. Morgen würden sie vielleicht endlich erfahren, was die alte Seekarte, die Frank nun schon drei Tage lang wie einen Schatz hütete, mit der fast viertausend Meter tief auf dem Meeresboden liegenden Titanic zu tun hatte.
31
Der Beginn des Tages gestaltete sich einfacher, als sie es sich vorgestellt hatten. Passend zum morgendlichen Sonnenschein, der sie geweckt hatte, telefonierte Frank zuerst mit einer freundlichen Angestellten, die ihn ohne großes Nachfragen oder Warteschlangen-Musik zu Direktor Dr. Dufner durchstellte.
»Franz Felgendreher wollen Sie
Weitere Kostenlose Bücher