Silberfieber
unsinkbar ist für ewig, alles noch da im Schiff, ein neuer Rekord, hat er gesagt, mit einem neuen Rekord in New York angekommen, alles dabei, die Karte, Einstein holt sie!«
»Einstein, Sie kannten Einstein?« Frank nutzte eine Atempause, um die Frage zu stellen.
Felgendreher ging tatsächlich darauf ein: »Einstein, ein guter Mann, wie mein Vater, was erzählt ihr da? Untergegangen? Ha, die Titanic ist unsinkbar! Mein Vater wusste es, eingelaufen im Hafen von New York, am 16, April 1912, ein neuer Rekord, das schnellste Schiff, die Titanic, gesunken, ha, ein Witz! Ein unsinkbares Schiff sinkt nicht, das schnellste der Zeit, die Zeit läuft schneller und schneller. Einstein ist hier, er hat es gesagt, die Zeit, sie läuft rückwärts und vorwärts zugleich.« Felgendrehers Füße begleiteten rhythmisch scharrend seine ohne Unterbrechung herausgestoßenen Wortfetzen. »Einstein weiß es, aber mein Vater kennt die Titanic, gesunken ha! Von wegen, sie ist angekommen in New York, alle gerettet, alle Sachen sind da, die Karte und die Pfeile bringen den Tod.«
»Was wissen Sie über die Pfeile, Herr Felgendreher?« Professor McCully hatte sich eingeschaltet und bat Frank zu übersetzen.
»Tod und Pest und Krieg, das Ende, es ist das Ende, der große Mann will die Karte, und Hunger, ich habe Hunger! Zwei große Männer bringen eine Karte, einer holt sie.«
Plötzlich brach er ab.
Er atmete schwer, und Peter, Frank und McCully merkten, dass er völlig erschöpft war. Peter erhob sich vom Bett, und Frank sagte:
»Legen Sie sich doch hin, Herr Felgendreher, Sie zittern ja, kommen Sie, ruhen Sie sich aus, wir gehen jetzt.«
Zwar hatten sie es nicht miteinander besprochen, aber es war ihnen allen klar, dass sie den alten Mann in Ruhe lassen mussten. Sie hatten ihn lange genug belästigt, und das, was er andauernd wiederholte, würde in einer Endlosschleife weitergehen, egal wie lange sie blieben und was sie ihn noch fragten.
Franz Felgendreher ließ sich, ohne sich zu wehren, von Frank dabei helfen, sich auf das Bett zu legen.
»Zwei Männer bringen eine Karte, einer holt sie«, murmelte er jetzt nur noch leise vor sich hin.
Nachdem Franz Felgendreher ausgestreckt auf seinem Bett lag, atmeten auch seine drei Besucher tief durch und verließen mit einem letzten Blick auf den alten, erschöpften Mann das Krankenzimmer. Sie schlossen die Tür hinter sich und gingen nebeneinander mit langsamen Schritten in Richtung Ausgang.
»He, Kartenspieler, wartet!«, hörten sie eine gedämpfte Stimme.
Unvermittelt blieben sie stehen. Franz Felgendreher hatte gerufen.
»Kartenspieler, Ihr zwei Großen! Wollt Ihr einen Tausch?«
Alle drei hörten gebannt zu.
»Kartenspieler! Ein Tausch! Eine Karte gegen eine andere! Zwei große Männer, ein Tausch!«, rief Felgendreher durch die geschlossene Tür.
Sie kehrten um und öffneten wieder die Zimmertür. Felgendreher hatte sich in seinem Bett aufgesetzt und starrte sie an. Seine Stimme war laut, als ob er nicht realisierte, dass er leiser sprechen konnte, jetzt, da seine Besucher bei ihm im Zimmer standen.
»Ein Tausch, zwei große Männer geben eine Karte und ziehen eine andere, Kartenspieler?!«
Er blickte sie mit aufgerissenen Augen an, aber sein Körper blieb ruhig, das Zittern war verschwunden.
Frank machte einen vorsichtigen Schritt auf Felgendreher zu.
»Ja«, sagte er langsam, »ja, wir wollen einen Tausch. Was gibst du uns?«
»Eine Karte für eine andere«, sagte Felgendreher. Und dann:
»Zuerst du!«
»Peter, gib mir die Karte!«
»Aber Frank, wir …«
Aber McCully stoppte ihn. »Das geht in Ordnung, wir müssen es riskieren.«
Peter zog erneut die Papprolle aus seinem Rucksack und gab die Karte an Frank weiter, der sie Felgendreher anbot. Mit einem einzigen schnellen Ruck riss Felgendreher das eingerollte Kartenblatt an sich und steckte es hinter sich unter sein Kopfkissen. Dann beugte er sich gewandt unter sein Bett und zog eine Rolle aus Pappe hervor, die den beiden Rollen von Frank und Peter sehr ähnlich war.
Er bot sie Frank an, während er mit dem anderen Arm wachsam sein Kopfkissen gegen das von Frank erhaltene Kartenblatt presste. Frank ergriff die Karte.
»Ein Tausch, Kartenspieler machen einen Tausch«, sagte Felgendreher triumphierend und ließ die Karte los. Dann legte er sich auf den Rücken und drehte den Kopf zur Seite, sodass er aus dem Fenster sah. Frank nahm die Karte an sich, rollte sie auf, warf einen Blick darauf und ließ das Papier sich
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