Silberglocken
einbildet, dann sind Sie das. Ich bin acht Jahre jünger als Sie und habe reichlich Gelegenheit, Männer kennen zu lernen. Wie kommen Sie darauf, ich könnte ausgerechnet an einem misslaunigen, unfreundlichen, ältlichen Stoffel interessiert sein?”
Philip sah sie verblüfft an. “Autsch!”
“Dieses Spiel kann man durchaus zu zweit spielen, Philip.”
“Welches Spiel?”
“Wissen Sie, dass ich Ihnen fast geglaubt hätte? Sie haben im Lift die Dunkelheit ausgenutzt? Wirklich, Philip, etwas Originelleres hätten Sie sich schon einfallen lassen können.” Seine Augen wurden schmal. “Aber natürlich ist nicht jeder so ein guter Schauspieler. Sie fühlen sich zu mir hingezogen, aber Sie haben eine geradezu panische Angst davor, Gefühle zu zeigen. Ich weiß nicht, welches Problem Sie haben, es wird vermutlich mit Ihrer Scheidung zu tun haben. Aber gut. Wenn Sie den Rest Ihres Lebens allein verbringen wollen, dann bin ich die Letzte, die Sie davon abhält.” Sie biss in ihr Knabberstäbchen.
Mackenzie kam zurück. Sie trug das Tablett hoch über dem Kopf, stellte es auf dem Tisch ab und verteilte die Teller.
“Wunderbar.” Carrie war sehr dankbar, dass Mackenzie genau in diesem Augenblick zurückgekommen war, denn sie wusste nicht, wie sie den Bluff noch länger hätte durchhalten können. Jetzt hatte Philip zum Glück keine Möglichkeit, ihr irgendetwas zu entgegnen. Besser hätte sie es sich gar nicht wünschen können.
Mackenzie schob das Tablett beiseite und setzte sich auf den freien Platz zwischen Philip und Mackenzie. “Ist Weihnachten nicht wunderbar?” fragte sie und biss mit Genuss in ihr Sandwich.
Philip sah Carrie an. “Großartig”, sagte er, und Carrie hatte den Eindruck, als knirschte er dabei mit den Zähnen. Er biss so heftig in sein Brot, als hätte er die ganze Woche schon nichts mehr gegessen. Carrie hatte den Eindruck, als trügen sie eine Art Wettbewerb aus, wer am schnellsten mit dem Essen fertig war.
Philip gewann. Er kaute noch an seinem letzten Bissen, als er auch schon aufstand, sich bei seiner Tochter bedankte und eilends verschwand.
“Er muss wieder ins Büro”, erklärte Mackenzie traurig und sah ihm nach. “Für ihn ist die Arbeit sehr wichtig.”
“Es war nett von dir, dass du uns beide zum Essen eingeladen hast”, meinte Carrie. “Aber dein Vater scheint zu glauben, dass du damit einen ganz bestimmten Zweck verfolgt hast.”
Mackenzie senkte den Blick. “Das stimmt ja auch. Aber warum ist das so schlimm? Ich mag dich eben so gern. Und Dad wird sich von allein nie mehr eine Frau suchen. Meine Eltern sind jetzt seit zwei Jahren geschieden, und seitdem hat Dad keine Verabredung mehr gehabt.”
“Mackenzie, dein Vater braucht eben einfach noch Zeit.”
“Zeit hat er mehr als genug gehabt. Er kann nicht immer nur den Kopf in den Sand stecken. Manchmal kommt er mir wie eine ausgestopfte Mumie vor. Ich will, dass er dich heiratet.”
“Ach, Mackenzie.” Carrie seufzte. Sie wollte ihre kleine Freundin nicht enttäuschen, aber sie konnte auch nicht zulassen, dass sie sich Illusionen machte. Gefühle ließen sich nicht so einfach befehlen. “Ich kann doch deinen Vater nicht heiraten, nur weil du es willst.”
“Magst du ihn denn nicht?”
Das wurde offenbar komplizierter, als sie angenommen hatte. “Doch, ich mag ihn sogar sehr. Aber zu einer Ehe gehört viel mehr.”
“Aber er hat dich auch gern, das weiß ich. Er traut sich nur nicht, es dir zu zeigen.”
Das hatte Carrie zwar auch schon vermutet, aber es konnte andererseits auch sein, dass sie es sich nur einfach so sehr wünschte und sich deshalb etwas vormachte.
“Mom sieht wirklich toll aus”, sagte Mackenzie und sah auf ihre Hände hinunter. Sie hatte eine Papierserviette zerknüllt, ohne es zu merken. “Ich glaube, sie ist enttäuscht, weil ich Dad ähnlicher sehe als ihr. Das sagt sie natürlich nicht, aber sie wäre sicher bei Dad geblieben, wenn ich hübscher wäre.”
“Das ist ganz bestimmt nicht wahr.” Carrie tat das Herz um ihretwillen weh. “Aber ich verstehe dich. Mir ist es früher genauso gegangen wie dir. Mein Vater wollte nie etwas mit mir zu tun haben. Er hat mir nie geschrieben und mir nie ein Geburtstagsgeschenk oder zu Weihnachten auch nur eine Karte geschickt. Ich dachte immer, ich wäre Schuld daran, weil ich nicht gut genug war und seine Erwartungen nicht erfüllte.”
Mackenzie hob den Kopf und sah Carrie an. “Aber du warst noch ein kleines Mädchen, als deine
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