Silberlinge
sein.«
Darüber musste ich eine kleine Weile nachdenken. »Na gut, einverstanden.«
Ulsharavas nahm noch etwas Tabak und kaute weiter. »Erkläre mir nur dies: Warum tust du, was du tust?«
Ich blinzelte verständnislos. »Du meinst heute Abend?«
»Ich meine immer«, antwortete sie. »Warum bist du ein Magier? Warum gibst du dich öffentlich zu erkennen? Warum hilfst du immer wieder anderen Sterblichen?«
»Äh«, machte ich. Ich stand auf und ging zu meinem Tisch. »Was sollte ich sonst tun?«
»Genau«, sagte die Puppe und spuckte aus. »Du könntest viele Dinge tun. Du könntest einen anderen Beruf ausüben, du könntest dich zurückziehen und studieren, du könntest einen materiellen Vorteil aus deinen Fähigkeiten ziehen und als reicher Mann leben. Selbst wenn du weiter als Privatdetektiv arbeiten würdest, könntest du viele Konfrontationen vermeiden. Doch du beschränkst dich auf eine bescheidene Bleibe und ein heruntergekommenes Büro und setzt dich immer wieder der Gefahr aus, indem du dich allen möglichen sterblichen und übernatürlichen Kräften stellst. Warum?« Ich lehnte mich mit verschränkten Armen an den Tisch und sah die Puppe scharf an. »Was zum Teufel ist das für eine Frage?«
»Eine wichtige«, antwortete sie. »Eine Frage, die ehrlich zu beantworten du dich verpflichtet hast.«
»Tja«, sagte ich. »Ich glaube, ich wollte einfach etwas tun, um anderen zu helfen. Etwas, das mir leichtfällt.«
»Ist das wirklich der Grund?«, fragte sie.
Wieder überlegte ich. Warum hatte ich eigentlich mit alledem angefangen? Alle paar Monate geriet ich in Situationen, in denen ich durchaus auf schreckliche Weise umkommen konnte. Die meisten Magier kannten die Probleme, die ich hatte, gar nicht. Sie blieben daheim, kümmerten sich um ihren eigenen Kram und lebten meist ruhig und in Frieden. Sie schlugen sich nicht mit übernatürlichen Kräften herum, und sie traten auch nicht in der Öffentlichkeit in Erscheinung. Sie gerieten auch nicht ständig in Schwierigkeiten, weil sie die Nase, ob gegen Honorar oder nicht, in die Angelegenheiten anderer Leute steckten. Sie lösten keine Kriege aus, sie bekamen von Vampirpatrioten keine Forderungen zum Duell, und niemand schoss ihre Autoscheiben kaputt.
Also, warum tat ich das alles? War es eine Art masochistischer Todeswunsch? Oder irgendeine psychische Störung?
Warum?
»Ich weiß es nicht«, sagte ich schließlich. »Ich glaube, ich habe wohl nie richtig darüber nachgedacht.«
Die Puppe beobachtete mich eine geschlagene Minute lang schweigend, ehe sie nickte. »Meinst du nicht, du solltest das mal tun?«
Ich starrte auf meine Schuhe und antwortete nicht.
Ulsharavas nahm sich noch einmal eine Prise Kautabak, setzte sich wieder in die ursprüngliche Position und ordnete ihr Kalikokleid. »Das Grabtuch ist auf einem kleinen Boot, das die Diebe gemietet haben. Es ist eine Jacht namens Etranger, die im Hafen liegt.«
Ich nickte und schnaufte leise. »Vielen Dank. Danke für deine Hilfe.«
Sie hob eine winzige Hand. »Noch etwas, Magier. Du musst wissen, warum die Ritter des Weißen Gottes wünschen, dass du dem Grabtuch fernbleibst.«
»Warum?«
»Sie haben eine unvollständige Prophezeiung erhalten, die besagte, dass du mit großer Sicherheit sterben wirst, falls du das Grabtuch suchst.«
»Sie haben nur einen Teil erhalten?«, fragte ich.
»Ja. Ihr Gegenspieler hat den anderen Teil verborgen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Warum sagst du mir das?«
»Weil du auch die zweite Hälfte hören musst, um das Gleichgewicht wiederherzustellen«, sagte Ulsharavas.
»Oh. Na gut.«
Die Puppe nickte und fixierte mich wieder mit ihren Knopfaugen. »Falls du das Tuch suchst, wirst du mit großer Sicherheit sterben.«
»Na schön, und wenn nicht?«
Die Puppe legte sich auf den Rücken, Lichtschwaden strömten aus ihr heraus und kehrten dorthin zurück, wo Ulsharavas hergekommen war. Nur noch leise und wie aus großer Ferne hörte ich ihre Antwort: »Wenn du es nicht tust, werden jedoch sie sterben, und mit ihnen alle Menschen in dieser Stadt.«
9. Kapitel
Ich kann kryptische Warnungen nicht ausstehen. Ja, ich weiß, solche nebulösen Andeutungen sind ein wesentlicher Bestandteil des Magiergeschäfts, aber es passt mir einfach nicht. Was nützt einem schon so eine Warnung? Die drei Ritter und die Einwohner Chicagos würden sterben, wenn ich mich nicht einschaltete – und falls ich es doch tat, wäre ich selbst geliefert. Das klang billig
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