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Silberlinge

Silberlinge

Titel: Silberlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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dazu.«
    Sie nahm den Block in die Hand. »Marriott – das Hotel?«
    »Keine Ahnung, gut möglich.«
    »Was suchst du denn?«
    Ich war zu müde, um noch viel auf Vertraulichkeit zu geben. »Ein gestohlenes Objekt, die Notiz bezieht sich vermutlich auf den Ort, wo es verkauft werden soll.«
    »Wer ist der Käufer?«
    Ich zuckte mit den Achseln.
    »Also steht dir viel Beinarbeit bevor.«
    »Ja.«
    Susan nickte. »Ich kann mich mal umhören. Du solltest jetzt schlafen.«
    »Es ist sicher besser, wenn du nicht…«
    Sie winkte ab. »Ich will dir helfen. Lass mich etwas für dich tun.«
    Ich öffnete den Mund und schloss ihn gleich wieder, denn ich konnte sie gut verstehen. Ebenso gern hätte ich ihr geholfen, doch das konnte ich nicht. Es war so schwierig, und es wäre schön gewesen, etwas Gutes für sie zu tun, wie klein die Geste auch gewesen wäre.
    »Na gut«, willigte ich ein. »Aber nur telefonisch. Versprochen?«
    »Versprochen.« Sie notierte sich den Namen und die Nummer auf einem Blatt, das sie unten vom Block abriss, und ging zur Tür.
    »Susan?«, sagte ich.
    Sie blieb stehen, ohne sich umzudrehen.
    »Willst du vielleicht mal essen gehen? Ich meine, bevor du abreist. Ich würde gern, äh, du weißt schon.«
    »Abschied nehmen«, sagte sie leise.
    »Ja.«
    »Gern.«
    Dann ging sie. Ich saß in meiner Wohnung am Feuer und roch ihr Parfüm. Mir war kalt, ich war einsam und müde, nur noch eine leere Hülle. Es kam mir vor, als hätte ich sie im Stich gelassen. Am Anfang hatte ich sie nicht beschützt, und danach hatte ich kein Gegenmittel gefunden, um die Veränderung durch das Vampirgift rückgängig zu machen.
    Veränderungen. Vielleicht ging es in Wahrheit vor allem darum. Susan hatte sich verändert, sie war gereift und wirkte viel entspannter als früher, auch selbstbewusster. Zielstrebig war sie schon immer gewesen, und jetzt war eine tiefe Sicherheit hinzugekommen. Sie hatte ihren Platz gefunden, an dem sie etwas Gutes tun konnte.
    Vielleicht sollte ich sie doch begleiten.
    Aber nein. Ein Teil der Veränderung war, dass sich auch die Begierde verstärkt hatte. Eine ruhige Sinnlichkeit, als erforderte jeder Anblick, jedes Geräusch und jede Berührung ihre volle Aufmerksamkeit. Sie hatte das Blut auf meiner Kleidung gerochen, und es hatte sie so stark erregt, dass sie von mir abgerückt war.
    Auch das war eine Veränderung. Instinktiv gierte sie nach meinem Blut. Und sie konnte Vampire fünf Meter weit durch die Luft schleudern. Sie hätte keine Mühe, mir in einem intimen Augenblick die Kehle zu zerfetzen, falls ihre Selbstbeherrschung nachließ.
    Abwesend wusch ich mir das Gesicht, nahm eine eiskalte Dusche und ging schaudernd ins Bett. Das alles würde allerdings nur die Erkenntnis der grausamen Wahrheit über meine Beziehung zu Susan hinauszögern.
    Sie hatte Chicago verlassen.
    Wahrscheinlich für immer.
    Am nächsten Morgen würde es höllisch weh tun.

15. Kapitel
     
     
     
    Ich träumte schlecht.
    Es waren die üblichen Alpträume. Flammen verschlangen jemanden, der meinen Namen schrie. Ein hübsches Mädchen breitete mit geschlossenen Augen die Arme aus und kippte langsam zurück, während auf ihrer Haut Dutzende dünner Schnittwunden entstanden. Wie feine Gischt sprühte das Blut. Ich wandte mich um und küsste Susan, die mich hinabzog und mir mit den Zähnen die Kehle herausriss.
    Eine Frau, die mir irgendwie bekannt vorkam, schüttelte den Kopf und bewegte die Hand von links nach rechts. Gleichzeitig verblasste die Traumszene. Sie sah mich mit dunklen Augen scharf an und sagte: »Du musst dich jetzt ausruhen.« Mickymaus riss mich aus dem Schlaf. Der Wecker lärmte, der kleine Zeiger stand auf der Zwei und der große auf der Zwölf. Gern hätte ich die Uhr verprügelt, weil sie mich geweckt hatte, doch ich hielt mich zurück. Hin und wieder habe ich nichts gegen etwas kreative Gewaltanwendung, aber irgendwo muss man eine Grenze ziehen. Jedenfalls würde ich nicht im gleichen Raum mit einem Menschen schlafen, der Mickymaus verhaut.
    Ich stand auf, zog mich an, sprach für Murphy und Michael Nachrichten auf Band, fütterte Mister und machte mich auf den Weg.
    Michaels Haus passte nicht zu den meisten anderen Eigenheimen in diesem Viertel westlich vom Wrigley Field. Es hatte einen weißen Lattenzaun, eleganten Fensterschmuck und im Vorgarten einen makellosen Rasen, der auch im heißen Sommer von Chicago immer grün war. Es gab ein paar schattenspendende Bäume und viele gepflegte Büsche, und

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