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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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feierlich zu. »Aber wir sehen uns später noch, und zwar heute.«
    Auch daran hatte Ivor sich gewöhnt.
    Die Sehkraft kommt, wenn das Licht geht, hieß es bei den Dalrei. Das war nicht Gesetz, hatte aber, so schien es Ivor gelegentlich, ebensoviel Nachdruck. Sie fanden bei Dunkelheit ihre Totemtiere, und all ihre Schamanen erhielten erblindet ihre Macht, bei jener Zeremonie in der Mittsommernacht, wenn die hellen Fackeln und die Sterne plötzlich erloschen.
    Er fand Levon, wie nicht anders zu erwarten, bei den Pferden, wo er sich um eine Stute mit einer wunden Fessel kümmerte. Als er die Schritte seines Vaters hörte, erhob Levon sich und kam ihm entgegen, wobei er sich das gelbliche Haar aus den Augen strich. Es war lang, und nie band er es am Hinterkopf zusammen. Levons Anblick war eine Wohltat für Ivors Herz; so war es immer.
    Er entsann sich, wahrscheinlich deshalb, weil er vor kurzem erst daran gedacht hatte, jenes morgens, an dem Levon von seiner dreitägigen Fastenperiode zurückgekehrt war. Den ganzen Tag hatte er geschlafen, völlig ausgelaugt, und die helle Haut war vor Erschöpfung beinahe durchsichtig gewesen. Abends spät war er aufgewacht und hatte seinen Vater aufgesucht.
    Ivor und sein dreizehnjähriger Sohn waren allein nach draußen gegangen und hatten das schlafende Lager durchwandert.
    »Ich habe eine Gerne gesehen, Vater«, hatte Levon plötzlich gesagt. Ein Geschenk für ihn, das innigste, seltenste aller Geschenke. Sein Tier, sein geheimer Name. Eine Gerne war sehr gut, dachte Ivor stolz. Stark und tapfer, mit stolzem Geweih, wie das des Gottes, dem sie geweiht war, und eine Legende wegen der Art und Weise, wie sie ihre Jungen verteidigte. Eine Gerne war so gut, wie man es sich nur wünschen konnte.
    Er nickte. Damals hatte er ein Kratzen im Hals verspürt. Leith pflegte ihn immer damit zu necken, wie schnell ihm die Tränen kamen. Er hatte den Wunsch, seinen Arm um den Jungen zu legen, aber Levon war jetzt ein Reiter, ein Mann, und er hatte ihm das Geschenk eines Mannes gemacht.
    »Bei mir war es ein Falke«, hatte Ivor gesagt und Schulter an Schulter neben seinem Sohn gestanden, während sie gemeinsam zum sommerlichen Himmel über ihrem schlafenden Volk aufblickten.
    »Gen Osten, ja?« fragte Levon jetzt im Näher kommen. Seine braunen Augen lachten.
    »Das denke ich«, erwiderte Ivor. »Wir wollen doch nicht tollkühn werden. Aber die Entscheidung liegt ganz bei dir«, fügte er rasch hinzu.
    »Ich weiß. Gen Osten, das ist gut. Außerdem werde ich die beiden Neuen dabeihaben. Es ist leichteres Gelände für die Jagd. Wie viele?«
    »Ich dachte an sechzehn, aber Gereint will einen Eltor für sich alleine haben.«
    Levon warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Und er hat sich beklagt, dass nicht genug gefeiert wird, ja?«
    »Wie immer«, bestätigte sein Vater schmunzelnd. »Und wie viele Jäger nimmst du mit, wenn es siebzehn sein sollen?«
    »Zwanzig«, entschied Levon ohne Zögern. Das waren fünf weniger, als er mitgenommen hätte. Dadurch war die Anforderung für jeden einzelnen der Jäger sehr hoch, vor allem mit den beiden Neuen in der Gruppe, aber Ivor hielt sich zurück. Die Jagd gehörte jetzt zu Levons Verantwortungsbereich, und sein Sohn kannte die Pferde und die Jäger und die Eltors wie kein zweiter. Außerdem hielt er es für richtig, sie unter Druck zu setzen, wie Ivor wusste. Dadurch blieben sie leistungsfähig. Von Revor erzählte man sich, er habe es ebenso gemacht.
    Daher beschränkte er sich auf wenige Worte: »Gut«, sagte er. »Triff deine Wahl mit Sorgfalt. Wir sehen uns später zu Hause.« Levon hob die Hand; er war bereits wieder dabei, sich der Stute zuzuwenden.
    Ivor hatte noch nichts gegessen, hatte auch noch nicht mit Leith gesprochen, und die Sonne stand schon hoch am Himmel. Er begab sich nach Hause. Sie warteten im vorderen Zimmer auf ihn. Den Abschiedsworten Gereints war es zu verdanken, dass er nicht völlig überrascht war.
    »Dies«, stellte Torc schlicht vor, »ist Davor. Er ist gestern Abend mit Loren Silbermantel aus einer anderen Welt herübergekommen, wurde aber von ihm getrennt. In der gestrigen Nacht haben wir in Faelinn gemeinsam einen Urgach erlegt.«
    Ja, dachte Ivor, ich wusste, dass da noch etwas kommt. Er sah die beiden jungen Männer an. Der Fremde, ein ausgesprochen großer Mann, strahlte eine gewisse Aggressivität aus, ohne in Wahrheit streitsüchtig zu sein, urteilte Ivor. Tores knappe Worte hatten den Häuptling erschreckt und

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