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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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zugleich freudig erregt. Ein Urgach, das waren unerhörte Neuigkeiten, dagegen ließ die Tatsache, dass der Ausgestoßene »wir« gesagt hatte, Ivor insgeheim lächeln. Die beiden hatten beim Töten eine Gemeinsamkeit entdeckt, dachte er.
    »Willkommen«, begrüßte er den Fremden. Und dann fügte er die feierlichen Worte hinzu: »Euer Eintreffen ist ein leuchtender Faden im Gewirk unseres Schicksals. Ihr werdet mir so viel von Eurer Geschichte erzählen müssen, wie Euch beliebt. Einen Urgach erlegen – das ist eine tapfere Tat. Doch zunächst werden wir essen«, fügte er hastig hinzu, denn er kannte Leiths Regeln, wie mit Gästen zu verfahren sei. »Liane?« rief er.
    Seine Tochter erschien unverzüglich. Natürlich hatte sie hinter der Tür gelauscht. Ivor unterdrückte ein Lächeln. »Wir haben zum Morgenmahl Gäste«, erklärte er. »Wirst du Tabor suchen und dafür sorgen, dass er Gereint bittet, zu kommen? Levon auch.«
    »Gereint wird nicht kommen wollen«, vermutete sie frech. »Es ist zu weit, wird er als Grund angeben.« Ivor stellte fest, dass sie Torc ständig den Rücken zukehrte. Es war eine Schande, dass eines seiner Kinder es wagen sollte, einen Stammesangehörigen so zu behandeln. Er würde mit ihr darüber sprechen müssen. Diese Sache mit dem Ausgestoßenen musste ein Ende haben.
    Im Augenblick sagte er nur: »Tabor soll ihm ausrichten, dass er heute morgen recht gehabt hat.«
    »Womit?« wollte Liane wissen. »Geh, Kind«, gebot Ivor. Es gab wirklich Grenzen.
    Wie nicht anders zu erwarten, warf Liane sich das Haar über die Schultern, drehte sich um und verließ das Zimmer. Der Fremde, sah Ivor, blickte ausgesprochen belustigt drein und hielt das Bündel Papiere, das er in der Hand hielt, nicht mehr ganz so defensiv umklammert. Alles war gut, wenigstens im Augenblick.
    Loren Silbermantel also, und ein Urgach im Faelinnhain? Fünfhundert Jahre war es her, dass man zuletzt eine solche Kreatur nach Celidon gemeldet hatte. Ich wusste doch, dachte Ivor, dass es noch einen Grund gegeben hat, warum wir dageblieben sind.
    Dies, so schien es, war der Grund.

 
Kapitel 11
     
    Sie hatten ein Pferd für ihn gefunden, keine leichte Aufgabe. Die Dalrei waren ein kleinwüchsiges Volk, schnell und drahtig, und ihre Pferde waren genauso. Im Winter jedoch trieben sie Handel mit den Männern aus Brennin, dort wo das Großkönigtum in der Nähe des Latham in die Ebene überging, und es gab bei jedem Stamm immer ein, zwei größere Rösser, die gewöhnlich dazu eingesetzt wurden, Lasten von einem Lager ins andere zu tragen. Auf dem Rücken des gutmütigen Grauen, den sie ihm gegeben hatten, und mit Ivors jüngerem Sohn Tabor als Führer, war Dave bei Morgengrauen mit Levon und den Jägern hinausgeritten, um bei der Eltorjagd zuzusehen.
    Seine Arme waren in recht schlimmem Zustand, aber Torc musste es genauso oder noch schlimmer gehen, und der befand sich auf der Jagd; daher hoffte Dave es schaffen zu können, ein Pferd zu besteigen und als Zuschauer teilzunehmen.
    Tabor, mager und tief gebräunt, ritt neben ihm auf einem kastanienbraunen Pony. Er trug das Haar hinten geknotet wie Torc und die meisten anderen Reiter, aber dafür war es eigentlich nicht lang genug, und der zusammengebundene Zopf stand von seinem Hinterkopf ab wie ein Baumstumpf. Dave erinnerte sich, wie er selbst mit vierzehn Jahren gewesen war und stellte fest, dass er sich entgegen seiner sonstigen Art in den Jungen neben ihm einfühlen konnte. Tabor war ausgesprochen redselig – er hatte praktisch nicht mehr aufgehört zu reden, seit sie losgeritten waren – aber Dave war an allem interessiert, und deshalb machte es ihm ausnahmsweise nichts aus.
    »Früher haben wir, wenn wir losgezogen sind, unsere Häuser mitgenommen«, erzählte Tabor, während sie dahintrabten. In den vorderen Reihen schlug Levon ein gemächliches Tempo an, gen Osten in die aufgehende Sonne. Torc ritt neben ihm, und es schienen noch an die zwanzig weitere Reiter dabeizusein. Es war ein herrlicher, lauer Sommermorgen.
    »Das waren natürlich keine Häuser, wie wir sie jetzt haben«, wandte Torc ein. »Wir haben sie aus Eltorhäuten und Stangen gebaut, so dass sie leicht zu transportieren waren.«
    »So etwas gibt es auch in meiner Welt«, berichtete Dave. »Warum habt ihr das geändert?«
    »Revor hat das geändert«, erläuterte Tabor. »Wer ist das?« Der Junge blickte schmerzvoll drein, als sei er über die Entdeckung bestürzt, dass der Ruhm Revors noch nicht bis

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