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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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Sathain nannten, in Bann geschlagen wurde, und war lebend wieder daraus hervorgekommen. Alle anderen waren eines grausamen Todes gestorben und hatten geschrien, ehe das Ende kam. Mitleid gehörte nicht zu den Gefühlen, derer der Wald fähig war.
    Irgendeine andere Nacht. Doch südlich von ihnen, in einem anderen Wald, verbrachte Paul Schafer soeben seine dritte Nacht am Sommerbaum.
    Und noch während die drei Eindringlinge geschickt voneinander getrennt wurden, war die Aufmerksamkeit Pendarans längst von ihnen abgelenkt und richtete sich auf etwas Unmögliches und Ungeheuerliches, selbst für die uralten namenlosen Mächte des Waldes.
    Ein roter Mond stieg am Himmel auf. Im Walde erweckte das den Eindruck, als sei ein Feuer ausgebrochen. Sämtliche Mächte und Geister der ungezähmten Magie, der Bäume und Blumen und Tiere, selbst die dunklen, ältesten, die nur selten erwachten und von allen anderen gefürchtet wurden, die Mächte der Nacht und die tanzenden Geister der Morgendämmerung, die Erscheinungen der Musik und jene, die sich in tödliches Schweigen hüllten, sie alle brachen in fieberhafter Eile auf, fort, nur fort, zu dem geheiligten Hain, denn dort mussten sie sein, ehe der Mond hoch genug emporgestiegen war, um mit seinem Leuchten die Lichtung zu erreichen.
     
    Dave hörte das, Flüstern des Laubes verstummen. Das machte ihm angst, alles flößte ihm nun Angst ein. Doch dann überkam ihn rasch ein Gefühl der Erleichterung, als stünde er nicht länger unter Beobachtung. Im nächsten Augenblick fühlte er ein Brausen, wie vom Wind und doch nicht Wind, als ein Etwas über ihn hinwegeilte, durch ihn hindurch, und sich in nördlicher Richtung entfernte.
    Er begriff lediglich, dass der Wald nun offenbar nichts als ein Wald war, die Bäume nichts als Bäume, und Dave wandte sich gen Osten und sah den Vollmond bestürzend rot auf den Kronen der höchsten Bäume ruhen.
    So war die Macht der Mutter geartet, dass selbst Dave Martyniuk, einsam und allein, unaussprechlich weit von daheim und von einer Welt entfernt, die er wenigstens einigermaßen verstand, diesen Mond ansehen und daraus Kraft schöpfen konnte. Selbst Dave erkannte in ihm eine Antwort auf die Herausforderung des Berges. Keine Befreiung, lediglich eine Erwiderung, denn dieser rote Mond bedeutete vor allen Dingen Krieg. Er bedeutete Blutvergießen und Krieg, jedoch nun keine hoffnungslose Auseinandersetzung mehr, nicht, wenn Dana von oben Fürsprache einlegte, aus weit größerer Höhe, als selbst Rangats Feuer sich emporschleudern ließen.
    All das war nur angedeutet, wirr, mühte sich in Dave um eine Art innerer Ordnung, die sich jedoch nie ganz herstellen ließ; doch das Gefühl war vorhanden, das intuitive Wissen, dass der Herr der Finsternis möglicherweise frei war, jedoch nicht kampflos davonkommen würde. So erging es den meisten in Fionavar, die des Symbols am Himmel ansichtig wurden: Die Werke der Mutter sind, und so war es immer, über die Bahnen des Blutes zu verstehen, so dass wir Dinge über sie wissen, von denen uns nicht klar ist, dass wir sie wissen. Von großer Ehrfurcht ergriffen, aufkeimende Hoffnung im Herzen, betrachtete Dave den östlichen Himmel, und der Gedanke, der ihm unpassenderweise kam, beschäftigte sich damit, dass es seinem Vater gefallen hätte, dies zu sehen.
    Seit drei Tagen hatte Tabor die Augen nicht geöffnet. Als der Berg Schrecken spie, regte er sich bloß in seinem Bett und murmelte Worte, die seine bei ihm wachende Mutter nicht verstehen konnte. Sie rückte das Tuch zurecht, das auf seiner Stirn lag, und ordnete die Decken über ihm, mehr konnte sie nicht tun.
    Danach musste sie ihn eine Weile alleinlassen, denn Ivor hatte rasch und unbeirrt den Befehl erteilt, der Panik entgegenzuwirken, die das Gelächter auf dem Wind hervorgerufen hatte. Morgen bei Tagesanbruch wollten sie sich auf den Weg machen, ostwärts nach Celidon. Hier waren sie zu allein, zu ungeschützt, direkt unter jener Hand, so schien es, die über dem Rangat hing.
    Sogar im Lärm der Vorbereitungen, als das Lager einem kaum zu zügelnden Wirbelwind des Chaos glich, schlief Tabor friedlich weiter.
    Auch das Aufgehen eines roten Vollmondes in der Neumondnacht veranlasste ihn nicht zum Aufwachen, obwohl alle anderen Stammesangehörigen alles stehen und liegen ließen und mit Verwunderung in den Augen zusahen, wie er sich über der Ebene emporschwang.
    »Wir gewinnen dadurch Zeit«, war sich Gereint sicher, als Ivor eine kurze Gelegenheit

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