Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
Vom Netzwerk:
am heutigen Tag gestorben. Es würde mir viel bedeuten, zwei neue Brüder zu haben. Wollt ihr euer Blut mit dem meinen vermengen?«
    »Ich habe keine Brüder«, gestand Torc leise. »Mir würde es auch gut tun.«
    Dave raste das Herz. »Eine klare Sache«, stimmte er zu.
    Und so führten sie im Walde das Ritual durch. Torc machte mit seiner Klinge die Einschnitte, und sie berührten einander mit den Handgelenken, jeder mit jedem, inmitten der Dunkelheit. Keiner sagte etwas. Als somit der Bund geschlossen war, fertigte Levon Verbände an, dann ließen sie die Pferde frei, nahmen ihre Gerätschaften und Waffen und machten sich gemeinsam auf den Weg nach Süden durch den Wald, Torc an der Spitze, Levon hinterher, und Dave zwischen seinen Brüdern.
    Wie der Zufall es wollte, hatten sie mehr erreicht, als es ihre Absicht gewesen war. Man hatte sie beobachtet, und Pendaran zeigte Verständnis für derartige Dinge, Bindungen, die durch Blut gefestigt werden. Es besänftigte zwar nicht den Zorn oder den Hass, denn sie, die niemals hätte sterben sollen, war für immer verloren; doch obwohl diese drei immer noch den Tod finden mussten, durfte ihnen der Wahnsinn vor dem Ende erspart bleiben. So wurde entschieden, während sie dahinmarschierten, ohne die Bedeutung des Raunens um sich herum zu kennen, und doch darin eingehüllt wie in einem Netz von Lauten.
     
    Für Torc gab es nichts, was ihm je so schwer gefallen war, was ihn je so erschüttert hatte wie dieser Marsch. Schlimmer als die Schrecken des Gemetzels am Adein, als das tiefe Entsetzen, das mit dem Aufenthalt im Pendaran verbunden war, erwies sich für ihn etwas anderes: Er war ein Nachtmensch, ein Waldmensch, dies war sein Element, und er hatte nichts anderes zu tun, als seine Gefährten südwärts zu führen.
    Aber er konnte es nicht. Wurzeln erschienen unerklärlicherweise, dass er über sie stolperte, gefallene Äste blockierten die Wege, andere Pfade hörten ohne erkennbaren Grund plötzlich auf. Einmal wäre er beinahe gestürzt.
    Südwärts, das ist alles! gemahnte er sich barsch, ohne bei all seinem Bemühen um Konzentration an den Schmerz an seinem Bein zu denken. Doch es war vergebens – jeder viel versprechende Pfad bog schon bald, ohne Sinn und Zweck, nach Westen ab. Bewegen sich etwa die Bäume? fragte er sich bei einer Gelegenheit, und verwarf diesen Gedanken sogleich wegen seiner Konsequenzen. Oder stelle ich mich nur unglaublich dumm an?
    Wie auch immer die Gründe beschaffen waren, übernatürlich oder in seinem Wesen liegend, nach einer Weile wurde ihm klar, dass sie, sosehr er auch versuchen mochte, am Ostrand des Großen Waldes zu bleiben – einmal hatte er sich sogar mitten durchs Dickicht gekämpft –, ganz langsam, sehr geduldig, aber unausweichlich nach Westen ins Herz des Waldes gelenkt wurden.
    Das war selbstverständlich nicht seine Schuld. Nichts von dem, was passierte, war seine Schuld. Pendaran hatte tausend Jahre Zeit gehabt, die Pfade und Muster zu gestalten, um auf Eindringlinge, wie sie es waren, reagieren zu können.
    Es ist gut, flüsterten die Bäume den Geistern des Waldes zu.
    Sehr gut, antworteten die Deienas. Blätter, nichts als rauschende Blätter hörte Torc. Blätter und Wind.
     
    Für Dave war diese nächtliche Wanderung ganz anders. Er stammte nicht aus Fionavar, kannte keine furchteinflößenden Legenden über den Wald, bis auf die Geschichte, die Levon am vergangenen Tag erzählt hatte, und die war eher traurig als furchterregend. Torc vor und Levon hinter sich, war er davon überzeugt, dass sie sich auf dem richtigen Weg befanden. Tores verzweifelte Manöver vor ihm entgingen ihm gänzlich, und nach einer Weile gewöhnte er sich an das Raunen, das sie umgab, ließ sich sogar von ihm einlullen.
    So sehr einlullen, dass er schon eine ganze Weile allein in westlicher Richtung marschiert war, ehe er darauf aufmerksam wurde.
    »Torc!« brüllte er, als er von plötzlicher Furcht gepackt wurde. »Levon!« Natürlich erhielt er keine Antwort. Er war mutterseelenallein im Pendaranwald, mitten in der Nacht.

 
Kapitel 14
     
    Hätte es sich um eine andere Nacht gehandelt, wären sie sicherlich gestorben.
    Keinen schlimmen Tod, denn der Wald hatte sich entschieden, dem Akt des Blutaustausches insoweit Ehre zu erweisen, aber dennoch war ihr Tod beschlossene Sache gewesen, seit sie vorbei am verzauberten Llewensee in den Schutz der Bäume geritten waren. Nur ein Mann hatte Pendaran betreten, seit Maugrim, den die Mächte

Weitere Kostenlose Bücher