Silbermantel
Aileron zu Loren gesagt, und der Magier hatte schweigend genickt. Und so blieb Kevin in dieser Hinsicht nichts, wogegen er sich hätte auflehnen können.
Andererseits war Diarmuid Erbe des Throns, und Kevin war, wenn er in dieser Welt überhaupt einen Platz gefunden hatte, einer aus Diarmuids Schar. Nach den Ereignissen von Saeren und Cathal, und vor allem nach dem Blick, der zwischen ihm und dem Prinzen hin und her gegangen war, als er im Schwarzen Keiler sein Lied beendet hatte.
Er brauchte Paul, um mit ihm darüber zu sprechen, Gott, wie sehr er ihn brauchte. Aber Paul war tot, und seine engsten Freunde hier waren Erron und Garde und Coll. Und ihr Prinz.
Daher betrat er die Kaserne und fragte so munter, wie er konnte: »Wo ist Diarmuid?« Dann blieb er wie angewurzelt stehen.
Sie waren allesamt anwesend: Tegid, die Eskorte von der Reise gen Süden und andere, die er nicht kannte. Sie saßen nüchtern an den Tischen im großen Empfangsraum, doch sie erhoben sich, als er eintrat. Jeder einzelne war schwarz gekleidet, mit einer roten Binde am linken Arm.
Diarmuid auch. »Komm herein«, bat er. »Ich sehe, du hast Neuigkeiten. Lass sie warten, Kevin.« In seiner gewöhnlich harten Stimme lag etwas Ruhiges, Gefühlvolles. »Du empfindest, wie mir klar ist, die größte Trauer, doch die Männer der Südmark haben schon immer eine rote Armbinde getragen, wenn einer der ihren stirbt, und nun haben wir sogar zwei verloren. Drance und Pwyll. Er war einer der unseren – davon sind wir allesamt überzeugt. Erlaubst du uns, mit dir um Paul zu trauern?«
Nun gab es keine Munterkeit mehr in Kevin, nur noch ein Aufwallen von Trauer. Beinahe fürchtete er sich, etwas zu äußern. Doch er fasste sich, schluckte mühsam und sagte: »Natürlich, und ich danke euch. Doch zunächst gibt es etwas zu erledigen. Ich habe Neuigkeiten, und du solltest sie jetzt gleich erfahren.«
»Dann erzähle sie mir«, forderte der Prinz, »auch wenn ich sie vielleicht schon kenne.«
»Das glaube ich nicht. Dein Bruder ist gestern Nacht zurückgekehrt.«
Zynische Belustigung zeigte sich auf Diarmuids Gesicht. Doch in Wahrheit waren das schlimme Neuigkeiten für ihn, und seiner spöttischen Reaktion war ein anderer Ausdruck vorangegangen.
»Ah«, bemerkte der Prinz im bissigsten Tonfall, dessen er fähig war. »Ich hätte es mir denken können, da der Himmel so grau ist. Und natürlich«, fuhr er fort und ignorierte das lauter werdende Gemurmel seiner Männer, »gibt es jetzt einen unbesetzten Thron zu erringen. Es sieht ihm ähnlich, zurückzukommen. Aileron hat für Throne viel übrig.«
»Er ist nicht unbesetzt!« Der das mit gerötetem Gesicht und ungestüm gerufen hatte, war Coll. »Diar, du bist der Thronfolger! Eher haue ich ihn in Stücke, als dass ich zuließe, dass er ihn dir wegnimmt.«
»Niemand«, versicherte Diarmuid und spielte elegant mit einem Messer auf dem Tisch, »wird mir irgend etwas wegnehmen. Gewiss nicht Aileron. Hast du noch mehr zu berichten, Kevin?«
Natürlich gab es noch mehr. Er erzählte ihnen von Ysannes Tod, von Kims Verwandlung und schließlich widerwillig von Lorens stillschweigender Bekräftigung der Ansprüche des älteren Prinzen. Dabei ruhten Diarmuids Augen unverwandt auf ihm, und das angedeutete Lachen, das in ihre Tiefen eingebettet lag, verschwand niemals ganz daraus. Er fuhr fort, mit dem Dolch zu spielen.
Als Kevin geendet hatte, herrschte Stille im Raum, nur unterbrochen von Coll, der wütend auf und ab ging
»Ich bin dir schon wieder etwas schuldig«, sagte Diarmuid schließlich. »Von alledem wusste ich nichts.«
Kevin nickte. Da klopfte es an die Tür. Carde öffnete sie.
Auf der Schwelle stand die breite, vierschrötige Gestalt von Gorlaes, dem Kanzler, dessen Hut und Mantel nass waren vom Regen. Noch ehe Kevin seines Erstaunens über Gorlaes’ Anwesenheit an diesem Ort Herr werden konnte, hatte dieser bereits den Raum betreten.
»Prinz Diarmuid«, begann er ohne lange Vorrede: »Meine Informationsquellen berichten mir, dass Euer Bruder aus der Verbannung zurückgekehrt ist. Um der Krone willen, denke ich.
Ihr, Hoheit, seid der Erbe des Throns, dem zu dienen ich geschworen habe. Ich bin gekommen, Euch meine Dienste anzubieten.«
Und bei diesen Worten brach Diarmuids Gelächter aus ihm hervor, ungezügelt und beißend in einem Raum voll mit Trauernden. »Natürlich hast du das!« rief er. »Komm herein! Komm nur herein, Gorlaes. Ich brauche dich dringend – in der Südfeste fehlt
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