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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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Begräbnisstätte, und Jaelle sah, dass sie bereits geöffnet waren und ein schwarzgekleideter Mann davorstand und auf sie wartete, und sie erkannte, wer er war.
    »Kommt«, rief Aileron, »lasst uns meinen Vater neben meine Mutter niederlegen, die er geliebt hat.«
    Und während sie noch versuchte, ihrer Verblüffung Herr zu werden, erhob sich eine andere Stimme. »Willkommen daheim, Verbannter«, begrüßte ihn Diarmuid in sanftem, gelassenem Tonfall, und er trat leichtfüßig an ihr vorbei, um Aileron auf die Wange zu küssen. »Sollen wir ihn zu ihr zurückführen?«
    Das war großes Unrecht, denn sie war es, die hier den Vortritt hatte, doch die Hohepriesterin empfand beinahe gegen ihren Willen ein seltsames Gefühl in sich aufsteigen, als sie die zwei, den dunklen Sohn wie den hellen, Seite an Seite durch die Pforte der Toten treten sah, während das Volk von Brennin hinter ihnen im Regen zu raunen begann.
    Auf einer Hügelkuppe hoch über dem Platz schauten drei Männer zu. Der eine sollte Erster Magier von Brennin werden, noch ehe die Sonne untergegangen war, der andere war während eines längst vergangenen Sonnenaufgangs zum König der Zwerge gekrönt worden, und der dritte hatte den Regen hervorgerufen und war von dem Gott zurückgesandt worden.
    »Wir haben uns hier versammelt«, hub Gorlaes an, der neben dem Thron stand, wenn auch in aller Vorsicht zwei Stufen niedriger, »in einer Zeit der Sorge und der Not.«
    Sie befanden sich im Großen Saal, Tomaz Lals Meisterwerk, und es hatten sich an jenem Nachmittag sämtliche Mächtigen von Brennin zusammengefunden, bis auf einen. Die beiden Dalrei und Dave, die der Zufall gerade jetzt hatte eintreffen lassen, waren in Ehren begrüßt und in ihre Gemächer geführt worden, und selbst Brendel aus Daniloth fehlte bei dieser Versammlung, denn was Brennin nun zu tun hatte, war ausschließlich die Angelegenheit Brennins.
    »Zu normalen Zeiten würde der Verlust, den wir alle haben hinnehmen müssen, eine Trauerfrist erfordern. Doch dies ist keine normale Zeit. Vielmehr ist es jetzt für uns vonnöten«, fuhr der Kanzler fort, als er sah, dass Jaelle ihm nicht das Recht streitig gemacht hatte, als erster zu sprechen, »uns unverzüglich untereinander zu beraten und geeint aus diesem Saal hervorzutreten, mit einem neuen König, der uns in –«
    »Halt, Gorlaes. Wir wollen auf Silbermantel warten.« So unterbrach ihn Teyrnon, der Magier, und er hatte sich, genau wie Barak, seine Quelle, und Matt Sören, von seinem Platz erhoben. Schon gab es Schwierigkeiten, und sie hatten noch nicht einmal angefangen.
    »Gewiss«, murrte Jaelle, »ist es doch wahrlich seine Pflicht, hierzusein, wenn es die anderen sind. Wir haben lange genug gewartet.«
    »Wir werden noch länger warten«, brummte der Zwerg. »Wie wir gestern auf Euch gewartet haben.« In seiner Stimme lag ein Unterton, der Gorlaes aufatmen ließ, dass es Jaelle gewesen war, die Einwände erhoben hatte, und nicht er selber. »Wo ist er denn?« fragte Niavin von Seresh. »Er kommt. Er war gezwungen, langsam zu gehen.«
    »Wieso?« meldete Diarmuid sich zu Wort. Er hatte aufgehört, wie eine Wildkatze am Rand des Saales auf und ab zu gehen und war vorgetreten.
    »Wartet« war alles, was der Zwerg darauf antwortete. Gorlaes schickte sich an, dagegen Einspruch geltend zu machen, doch ein anderer kam ihm zuvor.
    »Nein«, rief Aileron. »Um aller Liebe willen, die ich für ihn empfinde, ich werde nicht länger auf ihn warten. Es gibt, um die Wahrheit zu sagen, wenig zu besprechen.«
    Kim Ford, die sich in jenem Raum befand, in ihrer Eigenschaft als jüngste, als einzige Seherin von Brennin, beobachtete, wie er mit langen Schritten zu Gorlaes hinüberging und sich neben ihn stellte.
    Und eine Stufe über ihn, direkt vor den Thron. Er wird immer so bleiben, dachte sie. Er besteht aus nichts als Kraft.
    Und mit Hilfe dieser Kraft, leidenschaftsloser, unbeugsamer Kraft, blickte Aileron über sie alle hinweg und sprach weiter. »In einer Zeit der Beratung wird Lorens Weisheit dringend gebraucht werden, doch dies ist nicht die Zeit der Beratung, was immer ihr auch gedacht haben mögt.«
    Diarmuid war stehen geblieben. Er hatte sich bei Ailerons allerersten Worten in Bewegung gesetzt und direkt vor seinem Bruder Stellung bezogen, in seiner Gelassenheit ein krasser Gegensatz zu Ailerons mühsam gebügelter Lebhaftigkeit.
    »Ich bin hierhergekommen«, verkündete Aileron dan Ailell ohne Umschweife, »um mir die Krone zu holen, und

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