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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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Brennins.
    Diarmuid, auf dessen Gesicht in furchterregender Weise Heiterkeit aufblitzte, bückte sich, um sie aufzuheben. Er trug sie laut hallenden Schritts zu dem langen Tisch in der Mitte des Saals. Nachdem er sie dort niedergelegt hatte, zog er, nur eine Hand gebrauchend, den Korken aus einer Flasche. Sie alle sahen zu, wie er sich bedächtig etwas zu trinken einschenkte. Dann kam er mit seinem Glas langsam wieder zu ihnen zurück.
    »Es ist mir ein Vergnügen«, begann Diarmuid dan Ailell, Prinz von Brennin, »einen Trinkspruch auszubringen.« Sein breiter Mund lächelte. Blut tropfte von seinem Arm. »Trinkt doch alle mit mir«, forderte er sie auf und hielt das Glas hoch, »auf die Schwarze Rose von Cathal!«
    Und indem er vortrat, hob er unter offensichtlichen Schmerzen den anderen Arm und entfernte die Mütze und die Spangen, die sie trug, so dass Sharras dunkles Haar lose herabfiel.
    *
    Devorsh hinrichten zu lassen war ein Fehler gewesen, aus zwei Gründen. Zum einen gab es ihrem Vater ein zusätzliches Druckmittel in die Hand bei seinem Vorhaben, ihr einen der Adligen aufzuhalsen. Diese lächerlichen Adligen. Diesen Druck hatte er bereits auszuüben begonnen.
    Zum andern war er der falsche Mann. Zu dem Zeitpunkt, als der Rangat seine Feuerhand emporstreckte – die selbst in Cathal zu sehen war, obwohl der Berg selbst nicht sichtbar war –, hatte sich ihre explosive Wut in etwas anderes verwandelt. Etwas, das ebenso lebensgefährlich, wenn nicht noch gefährlicher war, da sie sich hinter hervorragend simulierter Reue verbarg.
    Sie hatte zugestimmt, am folgenden Morgen mit Evien von Lagos in den Gärten zu lustwandeln und dann am Nachmittag zwei weitere Männer zu empfangen; sie hatte sich sozusagen mit allem einverstanden erklärt.
    Doch als in jener Nacht der rote Mond aufging, steckte sie ihr Haar hoch, da sie ihren Vater nur allzu gut kannte, und schloss sich in der merkwürdig verfärbten Dunkelheit und begünstigt durch die Hast des Aufbruchs den Gesandten an, die nach Paras Derval reisten.
    Das war leicht. Zu leicht, dachte sie einmal kurz, während sie nach Cynan ritten; die Disziplin der Truppen des Gartenlandes war erstaunlich lax. Immerhin kam ihr diese Tatsache nun zustatten, genau wie der Berg und der Mond.
    Denn was immer die größeren Umwälzungen für eine Bedeutung haben mochten, welches Chaos die Zukunft auch bringen würde, Sharra musste sich zunächst um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern, und der Falke ist ein Jagdvogel.
    In Cynan ging es zu wie im Tollhaus. Als sie endlich den Hafenmeister aufgespürt hatten, schickte der verschlüsselte Lichtsignale über das Delta hinweg nach Seresh und erhielt alsbald die Antwort. Er setzte sie höchstpersönlich über, samt ihren Pferden und allem Gepäck, auf einer breiten Flußfähre. Den vertraulichen Grüßen, die am anderen Ufer des Saeren hin und her gingen, war deutlich zu entnehmen, dass die Gerüchte, zwischen den beiden Flußfestungen werde unzulässig Umgang gepflegt, der Wahrheit entsprachen. Nach und nach wurde es immer offensichtlicher, wie gewisse Briefe nach Cathal hineingelangt waren.
    Während sie nach Cynan ritten, hatten sie im Norden gelegentlich Donnergrollen gehört, doch als sie in den dunklen Stunden, die der Morgendämmerung vorangehen, in Seresh ihren Fuß an Land setzten, war alles still, und der rote Mond hing tief über dem Meer, verschwand hinter niedrigen Wolkenbänken und kam wieder hervor. Sie war umgeben von erwartungsvollem Raunen, mit dem man sich über den Krieg unterhielt, vermischt mit ungeheurer Erleichterung, welche die Männer Brennins angesichts des Regens empfanden, der leise herabrieselte. Demnach hatte vorher Dürre geherrscht, schlussfolgerte sie.
    Shalhassans Gesandte nahmen nur zu gerne die Einladung des Standortkommandanten von Seresh an, den Rest der Nacht zu bleiben. Der Herzog, erfuhren sie, befinde sich bereits in Paras Derval, und noch etwas erfuhren sie: Ailell war gestorben. Am selben Morgen. Die Nachricht hatte sie bei Sonnenuntergang erreicht. Am nächsten Tag würde es eine Beisetzung und dann eine Krönung geben.
    Wessen Krönung? Nun, die von Prinz Diarmuid natürlich. Der Thronfolger, wisst ihr. Ein wenig ungestüm, gab der Kommandant zu, aber ein stattlicher Prinz. In Cathal gebe es niemanden, der ihm gleichkomme, darauf wolle er wetten. Shalhassan habe doch bloß eine Tochter. Was für eine Schande.
    Sie entfernte sich heimlich von der Schar, während diese zur Burg Seresh ritt,

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