Silbermantel
um uns in den Krieg zu führen. Der Thron gehört mir –« nun blickte er seinem Bruder ins Gesicht, »– und ich werde um seinetwillen töten oder dafür sterben, ehe wir diesen Saal verlassen.«
Die erstarrte Stille, die nun folgte, wurde einen Augenblick darauf durch den misstönenden Laut eines einzelnen, in die Hände klatschenden Mannes unterbrochen.
»Elegant formuliert, mein Lieber«, applaudierte Diarmuid, während er fortfuhr, ihm Beifall zu spenden. »Ganz ungeheuer prägnant.« Dann ließ er die Hände sinken. Die Söhne Ailells standen sich gegenüber, als wären sie allein in dem weiten Saal.
»Spotten«, sagte Aileron sanft, »ist einfach. Darin hast du schon immer Zuflucht genommen. Doch verstehe mich recht, Bruder. Hier geht es ausnahmsweise nicht darum, spielerisch die Kräfte zu messen. Ich verlange zu dieser Stunde, an diesem Ort, von dir den Treueid, andernfalls stehen auf der Musikantengalerie sechs Bogenschützen bereit, die dich töten werden, wenn ich die Hand hebe.«
»Nein!« rief Kim aus, so entsetzt, dass sie ihr Schweigen brach.
»Das ist widersinnig!« brüllte zugleich Teyrnon und trat vor. »Ich verbiete –«
»Du kannst mir nichts verbieten!« übertönte Aileron ihn. »Rakoth ist frei. Was vor uns liegt, ist eine zu große Aufgabe für mich, als dass ich damit spaßen würde.«
Diarmuid hatte fragend den Kopf zur Seite geneigt, als wolle er einen abstrakten Lehrsatz überdenken. Dann ergriff er das Wort, und seine Stimme war so leise, dass alle sich anstrengen mussten, sie überhaupt zu hören. »Du bist wahrhaft entschlossen, so etwas zu tun?«
»Das bin ich«, erwiderte Aileron, »ohne ein einziges Mal zu zögern.«
»Wirklich?« fragte Diarmuid ein zweites Mal. »Ich brauche nichts weiter zu tun, als meinen Arm zu heben«, drohte Aileron. »Und ich werde es tun, wenn ich muss. Glaube mir.«
Diarmuid schüttelte ganz langsam den Kopf; er seufzte tief.
Dann sagte er: »Coll«, und erhob die Stimme, so dass sie weithin zu hören war.
»Mein edler Prinz.« Die Antwort des großen Mannes dröhnte sogleich von oben herab. Von der Musikantengalerie.
Diarmuid hob den Kopf, und sein Gesicht zeigte einen friedfertigen, beinahe gleichgültigen Ausdruck. »Erstatte Bericht.«
»Er hat es tatsächlich gewagt, mein Prinz.« Colls Stimme war belegt vor Wut. Er trat vor ans Geländer. »Er hat es wirklich gewagt. Sieben Männer waren hier oben. Ein einziges Wort von Euch, und ich werde ihn auf der Stelle niedermachen.«
Diarmuid lächelte. »Das«, sagte er, »ist beruhigend.« Dann wandte er sich aufs neue Aileron zu, und seine Augen waren nicht mehr so unbeteiligt wie zuvor. Auch in dem älteren der Brüder war eine Veränderung vorgegangen; er wirkte gelöst und kampfbereit.
Und er brach das Schweigen. »Ich habe sechs ausgesandt«, erklärte Aileron. »Wer ist der siebente?«
Sie mühten sich alle redlich, die Bedeutung dieser Worte zu erfassen, als der siebente oben von der Galerie herabsprang.
Das war ein tiefer Sprung, doch die düstere Gestalt war geschmeidig, rollte sich sogleich ab und stand auf den Beinen. Zwei Meter von Diarmuid entfernt, den Dolch zum Wurf erhoben.
Nur Aileron setzte sich rechtzeitig in Bewegung. Mit den ungebremsten Reflexen des echten Kämpfers griff er nach dem ersten Gegenstand, den er in Reichweite vorfand. Und als die Wurfhand des Attentäters ausholte, schleuderte Aileron das schwere Objekt auf ihn. Es traf den Eindringling mit aller Wucht im Rücken; die geworfene Klinge wurde abgelenkt, bloß abgelenkt, doch weit genug, um nicht das Herz zu durchbohren, dem sie zugedacht war.
Diarmuid hatte sich nicht einmal von der Stelle gerührt. Er stand da, ein wenig schwankend, mit einem eigentümlichen angedeuteten Lächeln auf dem Gesicht und einem juwelenbesetzten Dolch tief in seiner linken Schulter. Er hatte sogar noch Zeit, bemerkte Kim, ganz leise etwas vor sich hin zu murmeln, nicht zu verstehen, wie zu sich selbst, ehe sämtliche Schwerter gezogen waren und der Attentäter von stählernen Klingen umringt war. Ceredur von der Nordfeste holte mit der seinen aus, um ihm den Todesstoß zu versetzen.
»Haltet ein!« befahl Diarmuid barsch. »Halt!« Ceredur ließ langsam die Waffe sinken.
Das einzige Geräusch, das nun in dem ganzen riesigen Saal zu hören war, wurde von dem Gegenstand erzeugt, den Aileron geworfen hatte und der nun in immer enger werdenden Kreisen über den Mosaikfußboden rollte.
Es handelte sich um die Eichenkrone
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