Silbermantel
Eichenthron bestiegen hatte. Die Jahre hatten auf ihn gewirkt wie eine Streckbank, so dürr und ausgemergelt war er, und die Miene, mit der er ihrem Kommen entgegensah, war wenig einladend.
Auf der einen Seite des Königs stand Gorlaes. Der breitschultrige Kanzler war in braunes Tuch gekleidet, schmucklos bis auf das Amtssiegel, das an seinem Hals baumelte. Auf die andere Seite des Throns hatte sich Diarmuid gestellt, Königlicher Thronfolger Brennins, ganz in Burgunderrot und Weiß. Er zwinkerte ihr zu, als ihr Blick auf ihm verweilte. Kim wandte sich abrupt ab und erblickte Metran, den Ersten Magier, der sich langsam und keuchend, einen fürsorglichen Begleiter immer an der Seite, heranschleppte, um direkt vor ihnen neben Loren Aufstellung zu nehmen.
Als sie bemerkte, dass Paul Schafer aufmerksam zum König hinsah, wandte auch sie sich wieder dem Thron zu, und nach einer Weile hörte sie, wie sie namentlich vorgestellt wurde. Sie trat vor und verbeugte sich, nachdem sie zuvor beschlossen hatte, keinesfalls etwas so Riskantes wie einen Hofknicks zu versuchen. Die anderen taten es ihr gleich. Jennifer machte allerdings einen Hofknicks, sank begleitet vom Rascheln grüner Seide zu Boden und erhob sich voller Anmut, während ein anerkennendes Raunen den Saal durchlief.
»Seid willkommen in Brennin«, begrüßte sie der Großkönig und lehnte sich in seinem Thron zurück. »Leuchten möge der Faden jener Tage, die ihr bei uns verbringt.« Die Worte waren wohlwollend, aber es lag wenig Freude in dem gedämpften, trockenen Tonfall, in welchem sie gesprochen wurden. »Dank euch, Metran, Loren«, sagte der König im gleichen Ton. »Dank euch, Teyrnon«, fügte er hinzu und nickte einem dritten Mann zu, der halb hinter Loren verborgen war.
Metran verbeugte sich daraufhin viel zu tief und wäre beinahe umgefallen. Sein Begleiter half ihm, sich wieder aufzurichten. Im Hintergrund kicherte jemand.
Jetzt sprach Loren. »Wir danken Euch für Eure Güte, Herr. Unsere Freunde haben Euren Sohn und den Kanzler bereits kennen gelernt. Der Prinz war so freundlich, sie gestern Abend zu Gastfreunden Eures Hauses zu erklären.« Beim letzten Satz hob er die Stimme, so dass sie weithin zu vernehmen war.
Der Blick des Königs verweilte einen langen Augenblick auf Loren, und Kim, die dabei zusah, änderte ihre Meinung. Ailell mochte alt sein, aber er war jedenfalls nicht senil – dafür war die Belustigung, die sich auf seinem Gesicht abzeichnete, viel zu zynisch.
»Ja«, ließ sich der König wieder vernehmen. »Das ist mir bekannt. Und ich bekräftige hiermit sein Tun. Sage mir, Loren«, fuhr er in verändertem Tonfall fort, »weißt du, ob einer deiner Freunde Ta’Bael spielt?«
Loren schüttelte bedauernd den Kopf. »Wahrhaftig, Herr«, gestand er nachdenklich, »ich habe nicht einmal daran gedacht, danach zu fragen. Sie kennen in ihrer Welt das gleiche Spiel, sie nennen es Schach, aber –«
»Ich spiele«, rief Paul dazwischen. Es entstand ein kurzes Schweigen. Paul und der König sahen einander an. Als Ailell schließlich sprach, war seine Stimme sehr leise. »Ich hoffe«, sagte er, »du wirst gegen mich spielen, während du bei uns bist.«
Schafer nickte zur Antwort. Der König lehnte sich zurück, und als Loren das sah, wandte er sich ab, um sie aus dem Saal zu geleiten.
»Halt, Silbermantel!«
Die Stimme war eiskalt und gebieterisch. Sie ging ihnen durch Mark und Bein. Kim blickte rasch nach links, wo sie zuvor eine kleine Schar Frauen in grauen Roben bemerkt hatte. Nun teilte sich diese Gruppe, und eine Frau schritt auf den Thron zu.
Sie war ganz in Weiß gekleidet, sehr hochgewachsen, mit rotem Haar, das an der Stirn von einem silbernen Reif gefasst wurde. Ihre Augen waren grün und sehr kalt. In ihrer Haltung lag tiefe, kaum gezügelte Wut, als sie auf sie zukam, und im Näher kommen erkannte Kimberly, dass sie von großer Schönheit war. Aber trotz des Haares, das wie ein Feuer unter nächtlichem Sternenhimmel leuchtete, erwärmte einen diese Schönheit nicht. Sie tat weh wie eine Waffe. Kein Schimmer von Sanftmut haftete ihr an, kein Anflug von Fürsorglichkeit, aber schön war sie, wie der Flug des Pfeils, ehe er sein Opfer trifft.
Loren, aufgehalten, als er sich gerade zurückziehen wollte, drehte sich nach ihr um – und auch in seinem Gesicht lag keinerlei Wärme.
»Hast du nicht etwas vergessen?« fragte die Frau in Weiß, und ihre Stimme war zugleich federweich und von geschmeidiger
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