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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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ich nichts wissen wollte.
    »Glaubst du wirklich, daß Schiffe etwas empfinden können?«
    »Du nicht?« fragte er.
    Mein Herz pochte. Ich drückte den kühlen Becher an meinen Hals, um mich abzulenken. Das Loch schloß sich wieder, glatt und lautlos. Das Geheimnis blieb tief unten verborgen.
    Was du auch tust oder sagst, denk nicht daran. Niemals. Und wenn du dich im Spiegel betrachtest, sieh nur dein äußeres Bild an: ein glattes Gesicht, einen schmalhüftigen, anschmiegsamen Körper. Er erweckt den Eindruck, daß er unter den Fingern eines Mannes zu feuchtem Ton wird, daß er sich ganz und gar gibt, daß er willig ist, geschmeidig und sinnlich. Aber der Eindruck täuscht. In Wirklichkeit bin ich gestorben, eingeschrumpft in meinem getrockneten Blut.
    Ich lächelte Paul an.
    »Ich war noch nie auf einem Segelboot.«
    Er hob mir sein Glas entgegen und trank.
    »Dann wird es aber höchste Zeit.«
    Paul war knapp über dreißig, mittelgroß und täuschend feingliedrig; in Wirklichkeit war sein sehniger Körper durchtrainiert und hart. Seine Züge waren ebenmäßig, sein Lächeln freundlich. Er hatte nichts Auffallendes an sich. Man mußte ihn schon genauer betrachten, um seine schönen Zähne hinter den wohlgeformten Lippen und die kleinen, anliegenden Ohren wahrzunehmen.
    Paul war Graphiker in Brunos Verlag. Er entwickelte Buchkonzepte in Zusammenarbeit mit den Autoren, bestimmte die Schriftform und die Fotoauswahl, bevor er mit Reprokamera und Computer die Maquette herstellte. Bruno war sich bewußt, daß der Sachverstand des Graphikers zum Erfolg eines Verlagsprogramms entscheidend beiträgt. Auch später, als die Spatzen unser Verhältnis von den Dächern pfiffen, tat er ahnungslos und gut gelaunt, mied Andeutungen und Sticheleien. Zwar hatte er schon mit größter Diskretion seine Fühler nach einem Nachfolger ausgestreckt, aber einen Besseren als Paul hatte er noch nicht gefunden. Paul war im Gegensatz zu Bruno nicht merkantil; ein gutes Gehalt war für ihn nicht das Wichtigste auf Erden. Es gab Tage, wo er seinen Job schlichtweg als Ernährungshurerei bezeichnete.
    Wir kannten uns seit zwei Jahren; nähergekommen waren wir uns erst, als Paul mir eines Nachmittags eine Maquette brachte, die Bruno noch am gleichen Abend zwischen zwei Geschäftsreisen prüfen sollte. Es war der erste richtig kalte Herbsttag gewesen. Ich hatte ihm einen Kaffee angeboten. Das Gespräch mit ihm verlief leicht und flüssig. Sein Lächeln gefiel mir. Als er mich für den kommenden 25
    Dienstag zum Essen einlud, sagte ich zu. Er war seit Jahren der erste Mann, mit dem ich reden wollte.
    Wir fuhren nach Lausanne. Obwohl Paul nie ein Wort darüber verlor, führte er mich auch später immer nur in solche Lokale, wo er sicher war, daß wir weder Bruno noch irgendeinen seiner zahlreichen Geschäftsfreunde am Nebentisch antreffen würden. Ich war ihm für diese Rücksichtnahme dankbar. Bei dieser ersten Verabredung lernte ich ihn als aufmerksamen, interessierten Gesprächspartner kennen; einen, der mich weder falsch verstand noch den Sinn meiner Worte verdrehte, der sich nicht aufspielte, nicht moralisierte und der über Gefühle nachdenken konnte. Ich erzählte ihm einiges über Bruno und mich. Es erschien mir unermeßlich viel, daß ich mit ihm reden konnte und mir die richtigen Worte kamen. Als wir nach dem Essen einen Kaffee tranken, gestand er mir, daß ihm schon lange aufgefallen sei, wie zurückhaltend ich war.
    »Ich dachte, an die ist nicht heranzukommen. Sie ist manchmal so still, als ob sie nicht vorhanden wäre. Sie lebt wie hinter einer Glaswand.«
    »Ich bin nur müde. Manchmal könnte ich im Stehen schlafen. Ich zwinge mich jeden Morgen, so zu tun, als wüßte ich, was ich tue und warum ich es tue. In Wirklichkeit hat für mich nichts mehr einen Sinn.«
    »Wenige Menschen sind sachlich genug, um zu wissen, was in ihnen vorgeht«, meinte Paul.
    »Das trifft auch für mich zu. Es ist, als ob ich seit Jahren auf etwas warte, etwas Wichtiges. Und es macht mich kraftlos, weil ich überhaupt nicht weiß, was es ist.«
    Er schmunzelte und wollte etwas sagen, doch ich kam ihm zuvor.
    »Nicht, was du meinst. Ich bin nicht auf Abenteuer aus. Ich habe auch keine Lust, mich mit anderen Leuten zu unterhalten. Ich suche etwas anderes. Etwas, das es wahrscheinlich nicht gibt.«
    Paul beobachtete mich über den Rand seiner Tasse hinweg. Ich biß mir auf die Lippen.
    »Entschuldige, aber ich kann es dir nicht besser erklären. Bruno würde

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