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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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holte gepreßt Luft und fühlte, wie meine nackten, eingeölten Brüste sich hoben. Tief in mir schlief die Vergangenheit. Ich wollte sie nicht wecken.
    »Laß nur. Es ist schon lange her.«
    »Die stumme Julie«, neckte er mich. »Ich kenne dich inzwischen. Du beißt dir lieber die Zunge ab, als zu sagen, wie es in dir aussieht.«
    Er hatte einen feinen Instinkt und überspielte das Thema. Ich war ihm dankbar dafür und fühlte, wie ich mich entspannte. Der innere Druck löste sich.
    Eine Sirene hupte. Das Wasser rauschte. Die »Stella« begann zu schaukeln.
    Durch meine gespreizten Finger sah ich ein möwenumschwärmtes Dampfschiff das Wasser durchpflügen. Als der Wellengang sich beruhigte, fragte Paul:
    »Hast du mit deinen Eltern noch irgendwelchen Kontakt?«
    Ich schüttelte wortlos den Kopf.
    »Kein Foto? Keine Briefe?«
    »Nein.«
    »Vermißt du nichts? Hast du nicht eine Art Heimweh nach irgend etwas von damals?«
    »Mein Vater hat Alzheimer und lebt jetzt in einem Pflegeheim. Meine Mutter hat das Grundstück verkauft und wohnt irgendwo in der Stadt. Das Haus wurde abgerissen.«
    Ich nahm die Hand von den Augen. Paul ergriff sie und hielt sie fest. »Du lagst also im Clinch mit deinen Eltern. Da erschien Bruno mit seinen Hoppla-jetzt-komm-ich-Allüren, machte dir Geschenke und führte dich in teure Lokale aus…«
    Ich lächelte, schon wieder beruhigt.
    »Nur am Anfang. Später kaum noch. Du weißt ja, wie geizig er ist.«
    »Deswegen wurde er ja auch reich«, meinte Paul. »Ich werde es nie sein. Geld interessiert mich nicht.«
    »Nein, das stimmt nicht«, widersprach ich. »Du steckst nur alles in dein Schiff.«
    »Das Schiff ist meine größte Liebe.«
    Der Gedanke, daß er mich mit diesen Worten verletzen könnte, kam ihn nicht 23
    in den Sinn. Hätte ich es ihm gesagt, wäre er betroffen gewesen.
    Wie war es gewesen, als er mich zum ersten Mal im Hafen von Montreux auf die »Stella« führte? Es war ein kühler Herbstnachmittag. Wir gingen über die Mole, an den verdeckten Segelbooten mit den unbeweglichen Masten vorbei, bis Paul stehenblieb und den Arm ausstreckte.
    »Das ist die ›Stella‹«, sagte er stolz, und ich hatte den Eindruck, daß er mir ein Lebewesen, eine Frau, vorstellte. Das Schiff war etwa acht Meter lang und hatte eine überdeckte Kajüte. Auf dem Hinterdeck lehnten zwei zugeklappte Liegen an der Wand, und die Matratzen lagen unter einem Segeltuch daneben. Das Boot war weiß gestrichen und der Name in großen schwarzen Buchstaben auf den sauber lackierten Bug gemalt.
    »Ich bin gespannt, ob sie dich mag«, sagte Paul. Ich hatte nur gelächelt. Ich verstand durchaus, was er meinte.
    Er schwang sich geschickt über die Reling und zog mich mit beiden Armen hinauf. Das Boot schaukelte leicht, als ich an Bord trat. Ich lehnte mich an das Dach der Kajüte.
    »Warte, ich mache Licht«, sagte Paul.
    Er drehte den Hauptschalter an, stieß die Falltür auf und sprang den Gang mit federndem Sprung hinab, ohne die Treppe zu benutzen. Ich sah unter mir im Helldunkel sein lachendes Gesicht.
    »Achtung! Es ist steil!«
    Ich stieg behutsam die schmale Treppe hinunter. Die Kajüte war geräumiger, als ich angenommen hatte. Es waren zwei Kojen da, auf jeder Seite eine. In der Mitte stand ein festgeschraubter Tisch. Alles Nötige war vorhanden: ein kleiner Kühlschrank, ein elektrischer Herd mit zwei Platten und ein Wandschrank für das Geschirr und die kleinen Haushaltsgeräte.
    Paul brachte eine Flasche mit Gin. Er holte Eiswürfel aus dem Kühlschrank und füllte zwei Becher.
    »Cheers!« Wir stießen an. Ich trank einen Schluck und ließ meine Blicke umherwandern.
    »Ein hübsches Boot. Fährst du damit auch auf die Hochsee?«
    Er setzte sich neben mich auf die Koje.
    »Aber sicher. Ich lade es bis nach Genua auf und mache dort klar. Ich fahre zu den griechischen Inseln oder nach Malta. Manchmal segle ich die libanesische Küste entlang.«
    Außer dem Glucksen des Wassers gegen die Planken war fast kein Laut zu hören. Ich kam mir vor wie in einem Raumschiff, das weit von der Welt im weißen Wolkendunst schwebte. Es war ziemlich warm in der Kajüte und weniger feucht, als ich gedacht hatte.
    »Mir gefällt es hier«, sagte ich.
    Er lächelte.
    24
    »›Stella‹ mag dich. Ich kenne sie gut. Sie empfindet dich nicht als Eindringling.«
    Ich fühlte, wie meine Augenlider zuckten. In mir bewegte sich etwas. Es war wie ein schwarzes Loch, das sich plötzlich auftat. Drinnen war das Geheimnis, von dem

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