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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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auf.
    »Hat sie das gesagt? Du scheinst sie ja sehr beeindruckt zu haben.«
    »Was bedeutet das genau, Ken?«
    »Ehrenwerte Helle? Nun, ganz einfach, daß du eine Seherin bist. Eine weise Frau, wie sie.«
    »Ich bin doch nicht weise, Ken.«
    Er tippte mir auf die Nasenspitze.
    »Natürlich nicht. Du bist ja auch vierzig Jahre jünger.«
    »Daß du noch Witze machen kannst…«
    »Was soll ich denn sonst machen? In Selbstmitleid baden? Dazu besteht wahrhaftig kein Grund.«
    Er lachte, aber es hörte sich seltsam an, weil die Schwäche ihn gleichzeitig aufstöhnen ließ. Seine Augen waren verschleiert, die Wangen eingefallen und gerötet.
    »Tetsuo, der Arme, hat wirklich gedacht, ich wollte mich in betrunkenem Zustand in die Flammen stürzen.«
    Ich streichelte Kens Stirn.
    »Du hast Fieber. «
    »Fieber? Möglich. Mir ist heiß.«
    Eine Schwester kam auf lautlosen Gummisohlen und ging von Bett zu Bett.
    Mich grüßte sie verhalten lächelnd, bevor sie die Infusion entfernte. Als sie gegangen war, nahm Ken meine Hand.
    »Mach dir keine Sorgen um mich, Liebes. Mir geht es verdammt gut.«
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    Er schloß die Augen; sein Atem ging tief und gleichmäßig. Ich drückte schweigend seine Hand. Als ich nach einer Weile meine Finger löste, seine Hand behutsam auf die Decke zurücklegte, war er eingeschlafen. Leise erhob ich mich, ging aus dem Krankenzimmer. Draußen fand ich Hiro im Gespräch mit dem Arzt.
    Er wurde mir als Dr. Matsuda vorgestellt. Er war ein rundlicher Mann mit freundlicher Stimme. Das Gesicht sehr glatt und braun. Er führte uns in sein Büro.
    Sonnenlicht flutete in den kleinen, vollgestopften Raum. Er bot uns zwei Stühle an.
    Eine Schwester brachte grünen Tee. Dr. Matsuda sprach langsam, betonte jedes Wort, vermischte sein Japanisch mit englischen Worten. Hiro übersetzte, was ich nicht verstand. Der Prozentsatz der verbrannten Hautfläche, sagte der Arzt, beschränke sich auf Arm und Schulter. Die Verbrennung sei ziemlich großflächig, aber zum Glück sei nur die Haut betroffen, so daß eine Sehnenkontraktion nicht stattgefunden hatte. Der Arzt lächelte mir zu, während er sprach. Seine Augen unter den dicken Brillengläsern betrachteten mich aufmerksam. Ich blieb stumm.
    Ja, das ist der Preis, dachte ich. Der Preis, den wir zu bezahlen haben. Verstohlen warf ich einen Blick auf die Wunde in meiner Handfläche. Sie war nur klein, diese Verbrennung, und tat so weh. Leise fragte ich:
    »Wird er den Arm wieder gebrauchen können?«
    »Aber sicher, aber selbstverständlich«, sagte Dr. Matsuda. »Es ist lediglich eine Frage der Zeit. Wir kriegen das schon hin. Verbrannte Haut schrumpft ein, aber das Feuer wurde rechtzeitig gelöscht.«
    »Ach!« flüsterte ich. Der Arzt sprach weiter. Hiro übersetzte mit Mühe. Sie hätten nur geringe Entlastungsschnitte vornehmen müssen. Gleichwohl wäre es sinnvoll, eine Hautübertragung ins Auge zu fassen.
    Ich hob ruckartig den Kopf.
    »Wie wird das gemacht?«
    Er erklärte es mir. Ich hielt die Augen auf sein rundes Gesicht gerichtet, auf seinen freundlich sprechenden Mund, doch in Wirklichkeit hörte ich kaum zu; ich hörte auf etwas anderes, tief in mir selbst.
    »Sag ihm«, flüsterte ich Hiro zu, »daß ich es tun will.«
    Hiro übersetzte wiederum mühsam. Er war sehr bewegt. Der Arzt sah mich an, nickte und sprach einige Worte.
    »Er sagt, es könne schmerzhaft sein.«
    Hiro sah sehr betreten aus.
    Ich schüttelte den Kopf, fühlte, wie ich lächelte.
    »Das macht nichts.«
    Es war nicht wichtig. Es war sogar völlig nebensächlich. Wichtig war, daß ich dir einen Teil meines lebendigen Selbst geben würde, um auf deinem Körper zu wachsen und zu atmen. Ich wollte, daß es dazu kam; wollte gemeinsam mit dir den Preis zahlen für das, was wir erlebt hatten. Der Arzt hörte zu, einen warmen Schimmer in den Augen. Schließlich meinte er, ja, es wäre vielleicht gut, wenn ich 555
    dazu bereit sei. Sonst müsse man die Haut von ihm selbst nehmen. Er sagte mir, was getan würde. Hiro übersetzte. Ich nippte an meinem Tee und war mit allem einverstanden. Vielleicht lächelte ich sogar. Alles war, wie es sein mußte: Meine Kräfte strömten dir jetzt entgegen, genauso, wie du mir in dieser Nacht die deinen geschenkt hattest.
    »Er soll es aber erst im letzten Moment erfahren«, sagte ich zu Dr. Matsuda.
    »Damit er mich nicht überreden kann, es nicht zu tun.«
    »Ich verstehe.« Dr. Matsuda fing an zu lächeln. Hiro lachte jetzt auch und schüttelte den

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