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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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der Kasse legte den Hörer auf und schaute uns an. Franca nannte ihren Namen und sagte, wir würden von Sakura-san, dem Direktor des Theaters, erwartet. Die Frau nahm den Hörer wieder auf, drückte einen Knopf, sagte ein paar Worte. Einen Augenblick später ging eine Tür auf. Ein junger Mann kam aus den Kulissen und verbeugte sich. Wir marschierten hinter ihm durch schlechtbeleuchtete Gänge. Der junge Mann führte uns in ein kleines, neonerleuchtetes Büro. Auf einem altmodischen Metallschreibtisch war eine Computeranlage installiert worden. Daneben häuften sich Berge von Akten, überquellende Aschenbecher. Kisten auf der Fensterbank quetschten die verstaubten Gardinen an die Scheibe. Sakura-san, der auf einem Drehstuhl saß, sprang in die Höhe und verneigte sich. Sakura war Ende fünfzig und untersetzt und trug eine dicke Hornbrille. Man tauschte Visitenkarten. Nur ich, die ewige Dilettantin, hatte keine. Der junge Mann brachte Stühle, bot uns grünen Tee an.
    Sakura sprach ziemlich gut Englisch. Sein lebendiges Mienenspiel unterstrich das abgehackte Stakkato seiner Worte. Für sein bescheidenes Haus sei unser Besuch eine Ehre. Er sei stolz, daß wir über eines seiner Gastspiele im Ausland berichten wollten. Sakuras Überschwenglichkeit zeigte, daß dies wohl nicht allzu oft vorkam. Wir erfuhren, daß das Theater zu den wenigen Bauten in Tokio gehörte, die über fünfzig Jahre alt waren. Daß Fassade und Foyer einige bemerkenswerte Art-deco-Elemente aufwiesen. Daß Beleuchtung und Akustik dem damaligen Spitzenstand der Technik entsprachen. Aber heute war die Ausstattung veraltet.
    Kredite zur Renovierung gab es nicht, und alle Bemühungen, den Bau unter Denkmalschutz zu stellen, waren gescheitert.
    »Ein Theater ist wie eine schöne Frau, die mit zunehmenden Jahren nicht ohne Make-up und elegante Kleider auskommt!« Sakura wurde ausgesprochen lyrisch.
    »Aber die Behörden sind geizig, die Immobilienmakler gierig, und inzwischen zerbröckelt mein Theater wie die Schminke einer alten Kokotte! Die Kultur ist das Stiefkind der Nation!« jammerte Sakura und gestikulierte geradezu neapolitanisch.
    »Die Yakuza – die Unterweltbosse –, ja, die hätten Kapital. Aber würde ich die um Geld anbetteln, müßte ich Live-Shows veranstalten.«
    Nachdrückliche Pause. Sakura schlürfte verdrossen seinen Tee. Franca nahm die Gelegenheit wahr, um zu fragen, ob die Trommelspieler schon eingetroffen seien, und erinnerte Sakura daran, daß er ihr ein Interview mit dem Gruppenleiter zugesichert habe.
    Der kleine Mann tauchte aus seinen Gedanken auf, verschluckte sich an seinem Tee und sprang blitzartig auf die Beine.
    »Ich unverbesserlicher Schwätzer belästige Sie mit meinen Sorgen und vergesse dabei, daß Sie erwartet werden. Kommen Sie! Miura-san wird entzückt sein! Vornehmlich in Krisenzeiten können wir Werbung gebrauchen.«
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    Wir folgten ihm eine düstere Treppe hinauf. Wir kamen an Lagerräumen für Material, an Werkstätten und Garderoben vorbei. Über unseren Köpfen polterten Geräusche. Stimmen riefen einander zu, schwere Gegenstände wurden über den Boden geschleift.
    »Die jungen Leute waren schon früh da, um das Material aufzustellen«, sagte Sakura. »Miura-san legt selbst Lichteinstellung und Sound fest. Heute morgen hat er unseren Techniker ziemlich hart in die Zange genommen, weil der Stromanschluß nicht genügend abgesichert war.«
    Er stieß eine Metalltür auf, wies auf eine Reihe bereitstehender grüner Plastikpantoffeln. Wir steckten unsere Füße hinein, während Charles zurückblieb und sich mit steifen Gelenken krümmte, um seine Schuhbänder zu lösen.
    Auf den ersten Blick waren die Kulissen dunkel und riesig, von einigen Neonröhren erhellt, die mehr Schatten als Licht warfen. Der Fußboden war abgelaufen, die Bühnenbilder unter einer jahrealten Ölschicht verdunkelt.
    Zerknüllte Kleidungsstücke, Sportsäcke und feuchte Handtücher lagen auf den zerkratzten Bodenbrettern. Es roch eigentümlich hinter der Bühne. Kampfer, Leim, ein abgestandener Geruch, den ich nicht deuten konnte.
    Sakura zeigte warnend auf eine Anzahl Kabel, verwickelt wie ein Schlangenknäuel, die über die ganze Bühnenbreite verliefen. Ich stieg vorsichtig darüber hinweg und trat auf die offene Bühne. Grelles Rampenlicht traf fast schmerzlich meine Augen. Vor mir der Zuschauerraum, einem dunkelroten Riesenschlund ähnlich, in dem die Sitze wie Zahnreihen leuchteten. Hoch über dem Zuschauerraum die

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