Silbernes Mondlicht, das dich streichelt
dunklen,
grabähnlichen Raum zurück, in dem die Bewohner des Hauses sich einst vor Oliver
Cromwells Schergen versteckt hatten. Nachdem er die Tür verriegelt hatte, nahm
er Hut und Umhang ab und kauerte sich an die kalte Steinmauer.
Er gähnte, als er spürte, daß der
Schlaf Macht über ihn gewann. Es war unvorsichtig gewesen, hierherzukommen,
doch Aidan war keine Zeit geblieben, in sein Versteck im Connecticut des
zwanzigsten Jahrhunderts zurückzukehren. Außerdem wirkte jede Sättigung sich
stets ein bißchen einschläfernd auf seinen Verstand aus.
Er konnte nur hoffen — denn beten
war für einen Vampir sinnlos —, daß keiner seiner Feinde beobachtet hatte, daß
er dieses nur allzu offensichtliche Versteck für seinen Schlaf gewählt hatte.
Aidan gähnte noch einmal und schloß
die Augen. Er fürchtete die meisten Vampire nicht, weil sie alle, von wenigen
Ausnahmen abgesehen, wie er die Sonne meiden mußten. Aber es gab andere
Dämonen, andere Abarten der Schöpfung, die seiner Gattung auflauerten —
schreckliche, mächtige Gegner, die im Sonnenschein nicht umkamen, sondern
auflebten.
Im allgemeinen träumte Aidan nicht.
Sein Bewußtsein versank in tiefste Schwärze, wenn er schlummerte, was ihn verwundbar
werden ließ, bis sein Körper die Nahrung verarbeitet hatte, die ihn unsterblich
machte.
Heute nacht jedoch erschien Aidan
die Frau, Neely, in seinen Träumen, und auch der kleine Junge mit den Vampirzähnen,
und selbst in seiner Benommenheit empfand er Sorge. In zwei Jahrhunderten hatte
keine sterbliche Frau mehr seine Phantasie angeregt. Diese Frau, diese Neely,
mußte etwas ganz Besonderes sein.
Es war jedoch nicht ihr Äußeres —
sie war hübsch, wenn auch bei weitem keine Schönheit — sondern etwas anderes,
das viel tiefer ging, eine uralte Erfahrung seiner Seele, ein bittersüßes
Paradoxon. Es war fast, als sei er von einem schlauen, gefürchteten Feind
gefangengenommen worden und habe zugleich einen lebenswichtigen Teil von sich
selbst wiedergefunden, von dem er bisher nicht einmal gewußt hatte, daß er verloren
gewesen war.
Wieder kam ihm die Zigeunerin in den
Sinn, sie und ihre ominösen Worte: Verdammt oder gerettet ...
Als er erwachte, viele Stunden
später, wußte er augenblicklich, daß er nicht allein in der dunklen Kammer
war.
Ein Streichholz flammte auf und
blendete seine Augen. Vor Aidan stand Valerian, majestätisch schön in seinem
Vampirismus; ein imponierend attraktiver Unhold mit haselnußbraunem Haar,
aristokratischen Gesichtszügen und tiefblauen Augen, die eine geringere Kreatur
schon mit einem bloßen Zwinkern zu lähmen vermochten.
»Du bist ein Narr, Aidan!« fuhr
Valerian ihn an, und die Bewegung seiner Lippen ließ das Kerzenlicht
aufflackern. Wie Aidan besaß auch Valerian keinen Atem. »Was hat dich veranlaßt,
ausgerechnet hierher zu kommen?« Er schwenkte einen Arm. »Hast du vergessen,
daß sie dich sucht? Daß sie weder Dunkelheit noch Schlaf braucht?«
Aidan gähnte und richtete sich
langsam auf. »Sie«, entgegnete er spöttisch. »Hast du solche Angst vor
Lisette, daß du nicht einmal ihren Namen auszusprechen wagst?«
Der ältere Vampir verengte die Augen
zu zwei schmalen Schlitzen. »Ich habe keinen Anlaß, Lisette zu fürchten«, sagte
er nach kurzem Schweigen. »Du bist es, Aidan, dem ihr Haß gilt!«
Aidan kratzte sich am Nacken, eine
Gewohnheit, die er sich aus seiner Zeit als Sterblicher bewahrt hatte. Das
einzige Jucken, das ihn heute je belastete, kam von tief unter seiner Haut und
zwang ihn, entweder Blut zu trinken oder qualvoll zu verdursten. Mit erhobenen
Augenbrauen musterte er Valerian, den er seit vielen Jahren kannte.
»Falls Lisette wirklich in der Nähe
ist, dann nur, weil sie dir gefolgt ist«, entgegnete er nüchtern.
Wieder war Valerians tödlicher Zorn
im Raum zu spüren. »Ich bin fast so mächtig wie sie — ich kann meine
Anwesenheit vor ihr verbergen, wenn ich will. Du hingegen könntest dich
ebensogut in die helle Sonne legen, wie hier Zuflucht zu suchen! Wie lange
wirst du noch deine Gedanken jedem Dämon zugänglich machen, der zufällig
zuhört? Willst du sterben, Aidan? Ist es das?«
Wider seinen Willen dachte Aidan an
die Frau, Neely, die zu Hause in der kalten, frischen Luft von Connecticut
lebte und atmete. Er empfand den qualvollsten und unerklärlichsten Schmerz
dabei und gleichzeitig Freude. »Mag sein«, gestand er rauh, hob den Blick zu
Valerians schönem, schrecklichen Gesicht und fragte: »Sehnst du
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