Silberschweine
gefesselt. Zum Glück waren die Männer, die die Barren hinausgeschleppt hatten, am Ende so erschöpft gewesen, daß sie die Tür einen Spaltweit offengelassen hatten. Mit Hilfe meines Gedächtnisses und des Luftzugs, der von dort herüberwehte, fand ich sie schließlich unter heftigem Rutschen und Schieben. Ich klemmte den Griff meines Dolchs zwischen die Tür und den Rahmen und begann, eine Schulter gegen die Tür gedrückt, die Fesseln an meinen Händen zu zerschneiden.
Es dauerte lange und ging nicht ohne größeres Gezappel sowie zwei zerschundene Handgelenke ab, aber schließlich hatte ich mich befreit.
LXII
Der Lärm des Triumphs war gedämpfter, aber immer noch beschwingend, als ich aus dem Schacht kletterte.
Der Hof war natürlich leer, aber ich beschloß dennoch, mich umzusehen. Mit ein paar raschen Schritten war ich am großen Tor, lauschte, hörte nichts und schob mich vorsichtig hinein. Ich blieb an der Tür stehen, während sich meine Augen an den flimmernden Zimtdunst gewöhnten.
Sie waren noch da! Helena Justina, das flackernde Licht meines geschundenen Lebens, sah fast so erschöpft aus, wie ich mich fühlte. Sie saß auf einem Ballen, anscheinend unverletzt, aber gefesselt. Warum sich ihr Onkel noch nicht verdrückt hatte, war offensichtlich: er füllte gerade einige Säcke erstklassigen Pfeffer für sich ab. Pertinax war sein Partner gewesen, und Meto meinte offenbar, die Hälfte von allem stehe ihm zu. Er blickte auf und sah mich.
»Ich kann leider nicht zulassen, daß Sie meine Klientin berauben!« rief ich.
Als Helena sich umblickte, wechselten für einen kurzen Augenblick Vorwürfe zwischen uns hin und her, wie Liebende sie einander machen. Es war, als fühlte sie sich von mir genauso verraten wie ich mich von ihr.
»O ihr Götter«, stieß sie hervor, »gibst du denn niemals auf, Falco?«
Meine Knie zitterten, und an meinen Fingern klebte Blut. Ich ließ ihren Onkel nicht aus dem Auge und er nicht sein Schwert; es lag auf einem Faß, genau in der Mitte zwischen uns. Ein typischer Vertreter der bürgerlichen Mittelklasse: mangelnde Sorgfalt beim Umgang mit dem Werkzeug.
»Es hat doch keinen Sinn, im Dunkeln herumzuliegen, bis mir irgendein Schurke seine Klinge zwischen die Rippen schiebt –« Meto stellte den Korb ab, in den er gerade mit einer Schaufel Pfefferkörner gefüllt hatte. Er sah den Dolch in meiner Hand.
Ohne den Blick zu senken, schnallte ich meinen Gürtel ab. Das Ende mit der Schnalle wickelte ich mir um die linke Faust, streifte das Gagat-Armband ab und hielt es so hoch, daß er es sehen konnte.
»Woher diese sentimentalen Anwandlungen, mein Herr? Sehen Sie hier, der Reif von Sosia Camillina –« Er erstarrte. »Warum haben Sie ihn gestohlen? Warum haben Sie ihn behalten? Aus einem Gefühl des Triumphs über mich oder aus Trauer um sie? Trophäe oder Andenken?« Als er nicht antwortete, schleuderte ich ihm entgegen: »Oder schlechtes Gewissen? Publius Camillus Meto, haben Sie Ihr eigenes Kind getötet? «
Helena hielt den Atem an.
»Sie sind ja verrückt!« rief Meto.
Ich hatte ihn getroffen. Ich hatte sie getroffen. Als ich es so laut aussprach, hatte ich mich selbst getroffen.
»Oder war es Pertinax?« bellte ich ihn an, um ihn einzuschüchtern. Dabei wußte ich, wer es getan hatte.
»Nein.« Seine Antwort kam langsam.
»Aber Sie haben ihn getötet!«
»Machen Sie sich nicht lächerlich –« Ich sah, daß er sich wieder fing. »Falco, meine Tochter ist nur gestorben, weil Sie sich eingemischt haben –«
Da kam mir Helena zu Hilfe: »Ein Narr macht noch kein Drama!«
Ich schluckte und sagte: »Domitian hat Ihre Tochter umgebracht. Sie wissen das ganz genau. Sie waren vielleicht entsetzt – das glaube ich Ihnen sogar –, aber Sie konnten nichts sagen, weil Sie sich damit nur selbst beschuldigt hätten. Domitian hat Sosia umgebracht. Seine Initialen stehen auf dem Tintenfaß, das ich vor Ihren Augen im Safrankeller gefunden habe. Domitian hat sie umgebracht; ich vermute, er war allein dort. Als ihm klar wurde, daß sie ihn erkennen würde, mußte er schnell handeln. Jemand – er? Sie? Pertinax? – hat dann ihre Leiche aus dem Gewölbe hierher geschafft und wahrscheinlich nicht damit gerechnet, daß die Aventinische Wache auftauchen könnte, die Aventinische Wache und ich –« Ich geriet ins Stocken.
»Marcus!« rief Helena.
Da wußte ich mit absoluter Sicherheit, daß er mich belogen hatte. Helena war nie an der Verschwörung beteiligt
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