Silberschwester - 14
scherzten und klopften einander auf den
Rücken wie Hochzeitsgäste. Mellia und ihre Helfer hatten den ganzen Nachmittag
wie besessen gearbeitet. Das Ergebnis war ein Wunder an Fleischgerichten,
Gemüsen und Desserts, auf das sie nun mit Recht stolz war. Die Festgäste
empfingen jeden neuen Gang mit Beifallsstürmen – und Mellia genoss diese
Anerkennung, auch wenn sie nur zu gut wusste, dass die Hälfte ihrer
Köstlichkeiten auf den Hemdbrüsten und dem Hallenboden landen würde.
Am Tisch des
Königs – drei Plätze von ihm entfernt – saß an diesem Abend auch der Hauptmann
Anders. Mellia streifte beim Servieren der Suppe flüchtig seinen Arm, und er
drückte ihr dafür die Finger. »Liebste, ich freue mich schon auf unsere
Nachspeise«, murmelte er.
»Ich auch«,
erwiderte sie leise. »Meine Speisekammer war all die Zeit so leer. Hoffentlich
hast du etwas mitgebracht, sie wieder zu füllen! Aber nun lass meinen Ärmel los.
Ich muss dem König aufwarten,«
Während sie
sprach ging ihr Blick zum Kopf der Tafel. Und sie erstarrte. Nahm sie doch,
nach aller Hektik des Servierens, den Fremden erstmals wahr, der hinter dem
Stuhl des Königs stand …
Er sah wie
ein Lazani aus: dunkler Teint, dünn wie eine Bohnenstange, schwarz das Auge,
schwarz das Haar. Er rümpfte die lange Nase, dass sich der dünne Schnäuzer hob –
und musterte die Festgesellschaft, den König, den Adel, ja, sogar deren Speise,
mit sichtlicher Verachtung und Arroganz.
Ihre Speisen.
Das Menü des Königs müsste ja fast fertig sein! Sie eilte in die Küche zurück.
Das Spanferkel
kam genau zur richtigen Zeit und perfekt durchgebraten vom Spieß. Die Karotten
und die Äpfel standen schon auf den Wärmsteinen bereit … Mellia würzte nach,
richtete alles an und tat auch noch ein Erdbeerkompott dazu. Zwei Küchenjungen
trugen das Tablett, und sie schritt voraus, servierte ihrem König dann mit
eigener Hand, legte ihm höchstpersönlich von dem weißen zarten Fleisch eine
stattliche Scheibe vor, begoss sie mit einer Kelle feinster Soße, gab Gemüse
dazu … trat einen Schritt zurück und wartete so respektvoll wie gespannt ab.
Glorim nahm
gleich einen herzhaften Bissen, kaute genüsslich und schluckte mit sichtlichem
Behagen. »Köstlich, wie immer ausgezeichnet, Mellia! Bei Gott, wie ich dich
vermisst habe!«, rief er und wandte sich dann, zu ihrem größten Erstaunen, an
den Lazani. »Und was ist deine Meinung, Sampani?«
Der hagere
Herr schnitt sich so eine dünne Scheibe ab, roch sorgfältig daran, wagte nun
einen winzigen Bissen, kaute ihn zehnmal, Mellia zählte mit!, und schluckte ihn
schließlich. Rümpfte darauf die Nase und verkündete: »Ein bisschen zu süß, aber
annehmbar. Gehören die Äpfel dazu? Wie einfallslos! Ich hätte ein anderes Obst
dafür genommen, Pflaumen vielleicht, ja, etwas Überraschendes. Die Karotten sind
in Ordnung, wie auch die Präsentation. Also, insgesamt würde ich sagen, ein
fehlerhaftes, aber kein katastrophales Gericht.«
Mellia war wie
vom Donner gerührt. Wie konnte der es wagen? Wie konnte dieser dürre Kerl von
einem Lazani wagen, so über ihre Kochkunst zu reden? Natürlich wahrte sie, in
Gegenwart des Königs, den Frieden und eben auch ihr Lächeln. Doch die Luft
rings um sie, die kochte wie Suppe in einem Kessel.
Aber das war
noch nicht das Ende ihrer Schmach – der Lazani kostete und begutachtete jedes
Gericht, gab auch zu allem so hochnäsige Kommentare, dass die arme Mellia vor
Wut kochte – und ihm sein überlegenes Lächeln liebend gern von den Lippen
geschnitten hätte – mit dem ungeschliffenen Messer, versteht sich!
Aber endlich
war dieses Festmahl, das nicht enden zu wollen schien, doch vorbei. Der König
und sein Hofstaat zogen sich zurück. Dienerinnen und Diener räumten die Tische
ab. Gleich richtete Mellia es so ein, dass sie in Hauptmann Anders’ Nähe kam.
»Das Schwein!«, zischte sie, bloß für dessen Ohren. »In den Manieren wie im
Geschmack … Wer ist der? Ein gefangener Adliger? Der Fürst von Lazan selbst?«
»Schlimmer«,
grollte Anders, mit einer Miene so düster wie die ihre. »Ein Koch!«
Die schlechte Nachricht kam bei
Sonnenaufgang. König Glorim rief Mellia zu sich in seinePrivatgemächer –
was er in diesen fünfzehn Jahren nur vier Mal getan hatte. Bei ihrem Eintreten
fiel ihr als Erstes sein Frühstückstablett ins Auge – heiße Haferwaffeln,
kaltes Kompott. Dieses Frühstück hatte sie ihm nicht bereitet! Des schändlichen
Verrates wohl
Weitere Kostenlose Bücher