Silberschwester - 14
fließt.«
Und die
Mutter, wann war sie nur ihre Fesseln losgeworden?, half ihr auf und sagte:
»Die Wächter sind geflüchtet, als der Zauber begann. Vielleicht können wir uns
verdrücken.«
Ora nickte.
»Aber erst will ich sicherstellen, dass niemand sonst diese Robe mehr benutzen
kann«, sprach sie, ging eine der Fackeln an der Wand holen und hielt sie an das
magische Gewand, und das fing im Nu auch Feuer.
Als Ora noch
verfolgte, wie es verbrannte, trat die Mutter zu ihr, räusperte sich und sagte:
»Ich danke dir dafür, dass du mir und meiner Tochter geholfen hast … Es tut mir
Leid, dass ich dich ›schlecht‹ genannt habe.«
Ora schüttelte
den Kopf. »Das braucht es nicht. Du hattest Recht damit. Schlechte
Entscheidungen machen dich schlecht! Aber man kann sich immer entscheiden, sich
zu ändern, egal, wie viele schlechte Entscheidungen man schon getroffen hat. Es
ist nie zu spät.«
Als der letzte
Fetzen der Robe zu Asche wurde, trat Ora die übrigen Flammen aus, sah, mit
einem Lächeln im Gesicht, auf und schloss: »Bei mir hat es bloß etwas länger
gedauert als bei den meisten anderen, bis ich das begriff.«
JUDITH FIELDER
LEGGETT
Judith Fielder Leggett stellt sich als
Gärtnerin mit großem Interesse an »Weltraumgartenbau« vor, also an der Züchtung
von Pflanzen in der Schwerelosigkeit (wieder etwas für meine Liste merkwürdiger
Autorenberufe!). »Wenn ich mal nicht gerade Artikel schreibe oder mit meinem
Mann über ›Biosysteme in kontrollierter Umwelt‹ forsche, versuche ich, in den
Belletristik- und den Foto-Markt einzusteigen.« (Vorschlag: Konzentriere dich
auf das eine oder auf das andere – denn eine Sache allein verlangt schon deinen
zielstrebigen, ausschließlichen Einsatz! Einer der größten Fehler, die man im
Berufsleben machen kann, ist, zu versuchen, alles zu tun – und womöglich noch
zugleich. Es gibt sogar einige Leute, die ihre eigenen Texte illustrieren
wollen – was ein Ding der Unmöglichkeit ist, außer im Kinderbuchmarkt, wo es ja
aus irgendwelchen Gründen gang und gäbe zu sein scheint. Aber nicht hier; in
diesem Markt ist das schlicht ein Indiz für Unprofessionalität, und wir haben
es nun einmal gern mit Profis zu tun.)
Judith züchtet
Orchideen – Unmengen von Orchideen (erinnert mich an Nero Wolfe), fährt mit
ihrem Mann Rad, schießt mit dem Zielrückführungsbogen (was immer das ist) und
verwendet viel Zeit darauf, Romane und Erzählungen zu schreiben, »für die
Schublade«. Oh, nein, dort bringen sie niemandem nichts – hole sie heraus und
biete sie irgendwo an! Romane in der Schublade schaffen es sehr selten auf die
Bestsellerliste! »Kleinigkeiten« handelt davon, wie unsere Kinder in unsere
Fußstapfen treten. – MZB
JUDITH FIELDER
LEGGETT
Kleinigkeiten
»Rainfarn, Pfefferminze, Gelbwurzel …«
Mara unterbrach für einen Moment ihre Litanei, um dem »kleinen Echo« hinter
sich zu lauschen. Und musterte dann mit liebevoll ironischem Lächeln ihre
jüngste Tochter, die – ihr immer dicht auf den Fersen – mit ihren winzigen
Fingerchen all die Kräutlein zu Kinderportionen zwackte … und so genau darauf
achtete, es richtig und recht zu machen. Seit die Kleine laufen gelernt hatte,
hatte sie nie etwas anderes im Sinn gehabt, als alles nachzumachen, was die
Mutter so den lieben langen Tag tat. Der heutige Tag war da keine Ausnahme … Natürlich
trug sie ihren Kinderkorb, den Jacen, der Korbmacher, für sie geflochten hatte.
Er war genau wie der ihre gefertigt, auch aus Weidenruten derselben Güte. Sie
hätte fast gegen den Preis protestiert, aber das Kind hatte Jacen »ihr Entgelt«
präsentiert – als ob sie mit ihren fünf Jahren schon eine weise Frau sei. Und
Jacen hatte über ihre kleinen Päckchen getrockneter Kräuter ja nicht gelacht.
Sie wollte ihm schon deren Gebrauch erklären, aber da hatte ihre Tochter
begonnen, ihm diese ganze Litanei herunterzubeten. Während dieses langen
Vortrages hatte Jacen eine höflich ernste Miene gemacht. Und erst, als er zu
ihr, Mara, aufsah, blitzte der Schalk in seinen klaren blauen Augen. Er drehte
sanft den Kopf und als Mara in die Richtung blickte, sah sie seine
Zwillingstöchter beim Korbflechten. Sie waren erst vier Jahre alt, aber die
Unterhaltung, die sie führten, war aufs Wort genau »Jacen«.
»Sie tun, was
du tust, und sie sagen, was du sagst. Was uns nahe legt, uns in unserem Handeln
und Reden zu zügeln, damit nicht am nächsten Morgen das ganze Dorf davon weiß«,
sagte er
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