Silberschwester - 14
weißen
Staubes aufstieg. »Wenn es um meine Kunst geht, beuge ich mich keinem und
niemandem. Vor allem nicht so einer …«
Da hatte sie
ihm ein Stück Obsttorte in den Mund geschoben. »Nein, sag es nicht«, fauchte
sie. »Sag bloß kein Wort mehr. Hör mir nur zu. Du warst vielleicht in deinem
Lazan der Herr der Herde, aber nun sind wir in meinem Königreich. Ich koche
schon seit fünfzehn Jahren für meinen König, und er hat noch nie Anlass gehabt,
sich zu beklagen. Und wird es auch nicht, nie. Verstanden?«
Sampani sah
düster auf sie herab. Er kostete aber die Torte doch noch, schmatzte mit den
Lippen, schürzte sie dann und sprach: »Fehlt etwas Honig.«
Im Geiste
wiederholte sie die Lieblingsflüche von Hauptmann Anders … aber laut sagte sie:
»Jetzt machen wir eine Sauce á la Brenmanor. Dazu brauchen wir ein wenig Zimt
…«
Den ganzen Vormittag über wurde es
immer schlimmer. Beleidigungen und dolchspitze Blicke flogen durch die Luft,
schneller als die Federn beim Geflügelrupfen. Aber das merkte man dem Mahl
nicht an, das König Glorim zu Mittag serviert wurde, so köstlich war es. Die
beiden standen mit gezwungenem Lächeln daneben, stießen sich gegenseitig die
Ellbogen in die Rippen und harrten seines Urteils.
Der König
stürzte sich voll Lust auf jeden neuen Gang. Sein Lächeln wurde umso breiter,
je länger er nun kaute, malmte, schlürfte, schmatzte. »Ausgezeichnet … Ganz
ausgezeichnet!«, rief er aus, als er fertig war. »Oh, ich wusste doch, dass ihr
beide gut zusammenarbeiten würdet!«
»Mein König
ist sehr großzügig mit seinem Lob«, hauchte der Lazani und verbeugte sich tief
bis fast auf den Boden, sodass Mellia, um nicht zurückzustehen, sich mit einem
Knicks anschloss. »Hoheit ist meines Danks für die Erlaubnis, Euch zu dienen,
gewiss. Es war eine höchst anregende Erfahrung.«
»Und du,
Mellia? Wie laufen die Kochlektionen?«
»Sie sind … erhellend,
mein König.«
»Gut. So hört
meine Wünsche für das Abendmahl«, sagte er und listete ein Dutzend lazanischer
Gerichte auf, sodass Mellia jedes Mal ein längeres Gesicht zog und Sampani ein
immer strahlenderes Lächeln zeigte. »Seht zu, dass ihr genug für zwölf Personen
kocht. Denn ich erwarte für heute Abend Gäste.« Damit klopfte er Sampani
huldvoll auf den Rücken. »Meine Freunde und ihre Gemahlinnen möchten meinen
neuen Koch kennen lernen.«
Sampani – er
tanzte praktisch in die Küche zurück und rief Mellia, die so steif hinter ihm
herkam, zu: »Hast du gehört? Hast du das gehört? ›Meinen Koch.‹ Ich wusste ja,
dass dieser König ein richtiger Feinschmecker ist!«
»Warte lieber
mit dem Umräumen des Gewürzschranks«, spottete sie. »Es ist nur eine Laune und
geht vorüber, das kenne ich. Das hat er früher schon so gemacht. Über kurz oder
lang hat er die ausländische Küche satt, und dann wirst du nicht mehr
gebraucht. In dieser Burg ist nur für einen königlichen Koch Platz.«
Nun ließ er
das Tänzeln sein, fuhr zu ihr herum und fauchte, mit einem Lächeln so sauer wie
sauerster Essig: »In der Tat, meine Dame! Vielleicht ist es ja Zeit für
frisches Gemüse in der Speisekammer, nicht wahr?«
»Wenn das eine
Herausforderung sein soll, Lazani«, sagte sie und parierte mit eisigem Lächeln,
»dann nehme ich den Fehdehandschuh auf.«
Also begann ein Krieg – ein Krieg, den
sie mit Vorspeise und Salat, mit Suppe und Hors d’oeuvres und Desserts führten,
und zwar so heftig, dass jeder Tisch und Herd ramponiert und das ganze arme
Küchenpersonal schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde. Die besten der dabei
kreierten Waffen aber gingen an König Glorims Tafel. So tobte der Kampf viele
Tage und ohne einen klaren Gewinner oder Verlierer – außer vielleicht dem König
und seinem Hofstaat, die deutlich zunahmen und dicker wurden.
Es dauerte
nicht lange, da begriff Mellia, dass sie und Sampani einander so ebenbürtig
waren, dass keiner den anderen jemals eindeutig schlagen konnte … Unglücklicherweise
hatte er, wie sie bald entdeckte, das schon lange vor ihr begriffen. So kam es,
dass er sie, während sie ihr nächstes Manöver plante, mit seinem Flankenangriff
überraschte …
Sein
Eröffnungsschlag traf sie mit dem unerwarteten Ruf zum König. Als sie, mit
glasigen Augen und einem Gesicht so weiß wie Mehl, in die Küche zurückkehrte,
war Sampani dabei, aus Radieschen und Karotten und Blattsalaten einen
farbenfrohen Salat zu arrangieren. Und als er sie sah, fragte er mit
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