Silberschwester - 14
gesegnet worden. Sie sah es noch vor
sich, wie er ihn, vor dem Gebet um Gottes Segen für ihren Bund, von Mikel
entgegengenommen und in die Heilige Schrift gelegt hatte .
Die Linke hob
sie jetzt gegen Rushak, brach den Augenkontakt und rief: »Lass mich!« Und da
sah er den Ring und erbleichte. Sie hob den Ring auf Augenhöhe. Rushak wich
zurück. Und sie folgte ihm Schritt für Schritt … den ganzen Weg durch den
großen Raum zurück. An der Tür verhielt sie, hob den Riegel, öffnete – Rushak
entfloh in die Dunkelheit. Nun sperrte sie, am ganzen Leib zitternd, die Tür
wieder zu, sank erleichtert auf die Knie. Am nächsten Morgen sah sie beim
Auskehren etwas auf der Erde glitzern – Metallisches. Als sie einhielt, um es
aufzulesen, erkannte sie, was es war: das Kruzifix ihrer Mutter! Diesmal packte
sie es zur Sicherheit in den Medizinsack. Dann drehte sie, auf dass es ihr
Glück brächte, noch einmal den Trauring an ihrem Finger und machte sich mit
Nebel auf den Heimweg.
KATHRINA BOOD
Kathrina Bood schreibt, sie sei
dreiundzwanzig: Das scheint das mittlere Alter beim ersten Vertrag zu sein!
Ihre Hobbys, erzählt sie, seien »Lesen, Schreiben, Reiten, Bogenschießen und
alles, was mich in einen Wald bringt«. Und, sie arbeite an dem obligatorischen
Roman und suche ihre ungesunde Sucht nach britischen Sitcoms zu überwinden.
Warum ungesund? Diese englischen Sitcoms werden durch eine spezielle
Fernsehgebühr subventioniert – und nach dem Resultat zu urteilen, sollten wir
so eine hier auch haben. Die Geschichte »Ein Ritter auf dem Turmberg« widmet
sie, aufgrund eines alten Versprechens, Marjorie Wilcox. Publiziert habe sie
schon in der Oberschule und im College, aber dies sei ihr professioneller
Erstling.
In dieser
Story fördert die Durchsuchung einer Ruine einen Schatz zutage. – MZB
KATHRINA BOOD
Ein Ritter auf
dem Turmberg
Kellin lag, vor Nässe und Kälte
zitternd, im Dunkel und sah erschaudernd zu, wie im feuchten Laub die Glut
seines Feuers starb, wie im bröckelnden Kamin eine Flamme den letzten Rest
trockener Zweige, Äste verzehrte. Sein kostbarer Holzvorrat war längst
erschöpft, und jetzt, da diese Nacht voll Schnee und Regen erst zur Hälfte
vorüber war, wusste er nur, dass er hier langsam erfrieren würde.
Die Decke bis
über die Nase hochgezogen, ließ er den Blick seiner haselnussbraunen Augen
durch das bloß schwach erhellte Turmzimmer wandern: Zerbrochene Möbel, Scherben
und modrige Fetzen von Vorhängen und Gobelins lagen in der Ruine dessen
verstreut, was wohl einmal ein Schlafgemach gewesen. Schutt und verwesendes
Laub, Vogelfedern und Vogelkot bedeckten die Fliesen – und in einer Ecke lag
etwas, was darauf schließen ließ, dass der Raum einem riesigen Raubtier als
Höhle gedient hatte: ein zerschmettertes Möbelstück, von einem Gewirr tiefster
Krallenspuren überzogen. Kellin hatte flüchtig daran gedacht, all das Zeug ins
Feuer zu werfen; aber etwas an diesem Ort hatte ihn an der Ausführung seines
Gedankens gehindert. Er wusste, dass er aufstehen und hin und her gehen sollte,
damit das Blut in seinen Adern wieder zirkulierte … Aber es ging nicht; seinen
bleiernen Gliedern fehlte die Kraft und seinem Geist der Wille. Die Kälte hatte
mit seiner Körperwärme auch seine Entschlusskraft genommen.
Er schloss die
Augen, ließ seinen Geist durch eiskalte Leeren wandern. Schlaf, dachte er, und mit
dem Schlaf käme der Tod. Aber bei dem Gedanken öffnete er doch wieder die
Augen, nahm alle Kraft zusammen, die ihm verblieben war, und zwang sich auf die
Beine. Erst taumelte er etwas, war ihm so schwindlig von der plötzlichen
Blutleere im Gehirn. Aber bald fing er sich, legte die Rüstung ab, warf sich
Umhang und Decke um die Schultern.
Langsam ging
er sodann in dem seltsamen Raum hin und her und betrachtete den Schutt und den
Plunder und fing schließlich an, darin herumzuwühlen. Er kam sich fast wie ein
Plünderer vor. Aber es war doch wenigstens so eine Art Beschäftigung. Etwas,
was Geist und Körper wach und in Bewegung hielt.
So besah sich
der Ritter merkwürdige Gegenstände, drehte, wendete sie in Händen … Wenn die
Augen ihm bei dem kargen Licht den Dienst versagten, übernahmen es die Finger,
die Schnitzwerke wurmstichiger Möbel, die Knüpfmuster verrottender Läufer zu
erkunden … Nun fuhr wieder ein Windstoß durch die Risse der Eichentür, die bloß
noch an einer der bronzenen Angeln hing, und ließ sie wanken, schwanken, stob
weiter durch den
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