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Silberschwester - 14

Silberschwester - 14

Titel: Silberschwester - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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ihrer Stute hochzublicken. »Daggnar, ja«,
erwiderte sie dann, mit einem Anflug von Stolz in der Stimme. Und darauf
förderte sie aus ihrem Sack zwei runde, flache Brote und einen kleinen runden
Weichkäse zutage, teilte beides nach alter Sitte und reichte ihm mit schwarz
behandschuhter Hand eine Hälfte. Der Ritter nahm die karge Speise mit tief
empfundenem Dank entgegen und verschlang sie im Nu. Es war seine erste
wirkliche Mahlzeit seit zwei Tagen … die unreifen Beeren und rohen Wurzeln und
Knollen, die zählten ja nicht.
    Moija setzte
sich auf den Boden und schob bei ihrer Suche nach einer bequemen Stellung die
Kapuze zurück. Dadurch wurde im goldenen Feuerlicht ein fein geschnittenes
Gesicht mit einer kühnen Adlernase sichtbar. Zwei Strähnen ihres walnussbraunen
Haares, dem wohl hastig geflochtenen Zopf entkommen, hingen ihr ins Gesicht;
die steckte sie sich beim Essen hinter die Ohren. Die dunklen Augen, deren
Farbe Kellin nicht erkannte, erwiderten seine Blicke mit gleicher Intensität … Da
legte sie ihr Cape ab, breitete es zum Trocknen auf dem Boden aus. Ihr
Harnisch, der da sichtbar war, war nicht der in Merzen gängige schwere Schuppenpanzer,
sondern ein Kettenwerk so fein gewirkt, dass es fast wie derbe Strickware
aussah. Ihre Schienbeine und die Knie wurden von schweren Schienen aus
zweilagigem, metallbeschlagenem Formleder geschützt; Schultern und Brust wurden
vom selben Material umgeben. Nur der silberne Armschützer, den sie trug, war
geschuppt.
    »Was führt
dich nach Tell’Sakera?«, fragte sie da ruhig – die ersten Worte, die sie von
sich aus äußerte.
    »Tell’Sakera?«
    Sie nickte.
»Der Ort, an dem du dich befindest, das ist Tell’Sakera«, erwiderte sie, den
Namen betonend, als ob er für ihn tiefere Bedeutung haben müsste.
    Kellin
schüttelte erstaunt den Kopf. »Ich kenne ihn nur als ›Turmberg‹. Von
Tell’Sakera ist mir nichts bekannt. Turmberg heißt die Feste, seit sie Ruine
ist und in Trümmern liegt.«
    Die Frau fuhr
zurück und runzelte die Stirn. »Ruine«, sagte sie. Ein Flüstern nur. Und Kellin
schien es, als ob sie nun erst des Zustands ihrer Umgebung gewahr würde, nun
erst die bröckelnden Mauern sähe, das durchhängende Dach über ihnen.
    »Wie lange ist
das schon her?«, fragte sie, nur sich selbst und so leise, dass er sich nicht
sicher war, ob sie überhaupt etwas gesagt hatte. Dann richtete sie ihre
Aufmerksamkeit wieder auf ihn, fragte, mit schmalem Blick: »Aus welcher Stadt,
sagtest du, bist du?«
    » Shanizar.«
    »Davon habe
ich noch nie gehört.«
    Kellin wiegte
den Kopf. Jetzt war er sich sicher, dass diese Frau nicht nur von einem anderen
Ort, sondern auch aus einer anderen Zeit war. Das war ja die einzig sinnvolle
Erklärung. Shanizar war die Hauptstadt von Merzen, das Zentrum allen Handels,
Wandels und Wohlstands … Selbst die Wildleute, ein Volk, das in den tiefsten
Wäldern Merzens hauste, kannten Shanizar, und sei es nur dem Namen nach. Diese
Frau sah wie durch den Schleier des Traums auf Turmberg und sah es nicht, wie
es war, sondern so, wie es einmal gewesen … Und er warf einen Blick auf ihren
Sattel, der gerade noch im Lichtkreis des Feuers lag. Sättel wie diesen kannte
er nur von uralten, so gut wie verblassten Gobelins!
    Und so
erzählte er ihr von Shanizar, vom Treiben und Tun in jener großen Handelsstadt.
Ungläubiges Staunen und Befremden malten sich da in ihrem Gesicht.
    »Und die
Ruinen am Fuß des Berges, unten im Tal, wie heißen die?«, fragte sie. Ihr Geist
war wach und wie eine Viper, schnellte vor und zurück, von Frage zu Frage,
verweilte nie zu lange bei einer Sache. Aber mit der Hand im schwarzen
Lederhandschuh umklammerte sie den Griff ihrer Klinge, als ob sie sich an etwas
Sicherem und Vertrautem festhalten wollte. Also wappnete sie sich für eine
Antwort, die sie nicht hören wollte – die aber unausweichlich war.
    »Weißstein.«
    »Scareshia«,
sprach sie, wie um ihn zu verbessern. »Bei uns hieß der Ort ›Scareshia‹. Jetzt
erinnere ich mich wieder. Ich suchte etwas. Suchte …« Ihre Stimme wurde so
tonlos, leise. »Aber ich komme zu spät.« Mit einem Kopfschütteln holte sie
ihren wandernden Geist wieder in die Gegenwart zurück. »Die Einwohner nannten
es ›Scareshia‹. Das bedeutet ›Talheim‹ in der alten Sprache. Als Volk hießen
sie ›Wildleute‹. Wir aus Tell’Sakera und die aus dem Tal lebten viele
Jahrhunderte in Frieden miteinander.«
    Wir aus
Tell’Sakera? Was Wunder, dass sie so

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