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Silberschwester - 14

Silberschwester - 14

Titel: Silberschwester - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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zu fest … Sie brauchte etwas, das als Hufräumer taugte
– stabil genug, um den Stein zu lösen, ohne in diesem Bereich weiter Schaden
anzurichten. Für einen Moment dachte sie, ihren Dolch zu nehmen, verwarf diese
Idee aber dann als allzu riskant. Wenn ihr der ausrutschte, verletzte sie sich
selbst oder das Pferd.
    Nun, sie
mussten es vor Einbruch der Nacht bis zum Unterstand schaffen, dieser Hütte für
Reisende, die – wenn sie sich recht erinnerte – ungefähr eine halbe Meile
hinter ihnen lag. Wenn sie den Stein herausbrächte, kämen sie ja vielleicht vor
der Dunkelheit dahin. Den musste sie leider erst entfernen, denn der Abhang war
so steil, dass Nebel ihn nur auf allen vieren hinaufkäme.
    »Eins … zwei …
drei«, murmelte sie und atmete ruhig aus, um ihre flatternden Nerven zu
besänftigen. Und wie sie ihre missliche Lage bedachte, kam ihr eine Idee:
»Vielleicht kann ich diesen Stein ja mit dem geschnitzten Hornlöffel aus meinem
Medizinbeutel lösen!«
    Also
durchsuchte sie schnell ihre Satteltaschen, bis sie ihr Heilerinnenset fühlte,
zog es heraus und kramte darin, bis sie den Löffel und dazu ein Bündel
getrockneter Kräuter voll goldgelber Blüten in der Hand hielt.
    »Mädesüß nimmt
den Schmerz«, murmelte sie, die uralten Worte wiederholend, die Frau Eldritch
so oft gebrauchte, und hielt Nebel das duftende Bündelchen hin. Und das Pferd
schnupperte skeptisch daran, und begann schließlich, zu ihrer großen
Erleichterung, zu fressen.
    »Gutes Mädchen!«,
lobte Karis. »Das müsste deine Schmerzen ein wenig lindern.«
    Das Gesicht zu
seinem Schwanz gekehrt, trat sie an das linke Hinterbein, hob den verletzten
Fuß, klemmte ihn zwischen die Knie, um ihn zu halten, versuchte dann, den
Löffel seitlich zwischen Huf und Stein einzuführen … Der Stein rührte sich
nicht. Das Tier war, zum Glück, an derlei Hufpflege gewöhnt und versuchte also
nicht, wie manche Pferde es getan hätten, auszuschlagen oder sein ganzes
Gewicht auf sie zu legen. Nun versuchte sie, den Schöpfteil von hinten in den
Huf zu schieben, was allmählich auch gelang. Sie musste den Löffel nur weit
genug hineinbekommen, um dann, wie mit einem Hebel, an dem Stein ansetzen zu
können.
    Geschafft –
endlich! Der Stein sprang ihr glatt in die Hand: Unten rund und oben spitz,
hatte er genau in den Huf gepasst. Ganz behutsam untersuchte sie den Fuß auf
Verletzungen. Doch Nebel zuckte zusammen, riss ihn ihr aus den Händen. Aber ihr
war nicht entgangen, dass die Wunde zu bluten begonnen hatte. Auch wenn die
größte Gefahr von einer Infektion drohte – die Blutung hier musste gestillt
werden, sonst könnten sie nicht weiter.
    Das Wichtigste
war, vor Einbruch der Nacht ein Dach über dem Kopf zu haben. Also zog sie ihre
Trinkflasche heraus, spülte mit etwas Wasser das Blut von der Wunde, packte
saugfähiges Moos darauf und umwickelte den Huf mehrmals mit Rupfen. Dann
verschnürte sie das Ganze mit ihrem ledernen Halsband – das Kreuz daran hatte
sie natürlich zuvor abgenommen und in die Rocktasche gesteckt. Das ist nicht
der schönste Verband, den ich je gemacht habe, dachte sie, aber er sollte wohl
gehen. Und jetzt, nichts wie zu der Hütte!
    Nun führte sie
Nebel vorsichtig den steilen Hang hinauf. Die Schlange war, wie vermutet,
längst verschwunden, als sie auf den Weg zurückkamen – nicht die kleinste Spur
war mehr von ihr zu entdecken. Langsam zog sie also los, den Weg zurück, den
sie gekommen waren, immer in der Hoffnung, diese Schutzhütte für Reisende zu
erreichen, bevor es dunkel würde. Denn die Sonne stand schon tief über dem
Horizont, und die Luft hatte etwas entschieden Kühles.
    Wie sie so
dahintrotteten, eilten Karis die Gedanken voraus – zu allem, was sie noch
besorgen musste. Ich brauche Waldwurz gegen das Fieber, dachte sie, und Wasser
und Feuerholz …
    Auf dem Herweg
war sie, unweit der Hütte, an einem schmalen Bach vorbeigekommen: Da könnte sie
Wasser holen. Anmach- und Brennholz wären wohl vorhanden, da üblicherweise, wie
es der schlichte Anstand gebot, die Benutzer solcher Hütten vor dem
Weiterziehen derlei Vorräte wieder auffüllten. So blieb noch Waldwurz zu
besorgen. Da fiel ihr der alte Ahornbestand ein, den sie unterwegs gesehen
hatte. Waldwurz fand man gemeinhin im tiefen Schatten der älteren Bäume – aber
war das Wäldchen vor oder nach der Hütte gewesen?
    Hinter der
nächsten Wegbiegung kam es schon in Sicht. Kurz davor führte sie ihr Pferd auf
eine bemooste Lichtung, in

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